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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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warteten den Einbruch der Dunkelheit ab, bis sie Eddie Muntz einen Besuch abstatteten. Eddie war erst kurz zuvor aus dem Northern Hotel Pub nach Hause gekommen. Das Northern Hotel in der Beryl Street, das 1890 eröffnet und bis 1955 Brewers Arms Hotel geheißen hatte, war Eddies Stammlokal in Broken Hill. Mit seinen neunundsiebzig Jahren war Eddie trotz seiner Arthritis noch sehr rüstig und kräftig und hatte einen wachen Verstand. Er konnte sich gut an die Zeiten erinnern, als hinter dem Lokal Hunde- und Kamelrennen stattgefunden und sein Vater illegale Wetten angenommen hatte.
    Der Buchmacher war gar nicht erfreut über den Besuch der Camilleris. Er zerrte die beiden vierschrötigen Brüder ins Haus, blickte sich kurz um, ob irgendjemand die Szene beobachtet hatte, und schlug die Haustür zu.
    »Hab ich euch nicht gesagt, ihr sollt nicht hierherkommen? Man darf uns nicht zusammen sehen. Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt.« Eddie warf einen nervösen Blick durch das schmale Fenster neben der Tür.
    »Wir waren vorsichtig, niemand hat uns gesehen«, sagte Joe beschwichtigend, als sie Eddie in die Küche seines aus feuerverzinktem Stahlblech erbauten Hauses folgten, in dem es nach der Hitze des Tages immer noch drückend warm war. Die drei Männer setzten sich an den handgeschreinerten Holztisch, den Eddie von seinem inzwischen verstorbenen Vater zu seiner Hochzeit mit Winifred McNaulty, seiner einzigen großen Liebe, im Jahr 1910 geschenkt bekommen hatte. Winifred war ein Jahr später im Kindbett gestorben, und auch das Baby, ein kleiner Junge, hatte nicht lange überlebt. Seitdem bewohnte Eddie das Haus ganz allein, was nicht zu übersehen war: Es fehlte jede weibliche Note.
    Der Aschenbecher auf dem Tisch quoll über vor Zigarettenkippen, und eine brennende Zigarette lag auf dem Rand. Eddie war Kettenraucher. Handgeschriebene Wettscheine und ein paar Banknoten schauten aus einer Ledertasche neben dem Aschenbecher hervor. An diesem Tag hatte in Broken Hill ein Rennen stattgefunden, und Eddie hielt offenbar Kassensturz. Seinem mürrischen Gesicht nach zu urteilen hatte er einen weiteren herben Verlust eingefahren.
    Obwohl er verärgert war über die Störung, fragte er gespannt: »Habt ihr meinen Auftrag ausgeführt?«
    »Ja, alles erledigt«, antwortete Frankie zufrieden. »Wir haben Jed Monroe eine gehörige Abreibung verpasst.«
    »Habt ihr auch dafür gesorgt, dass er weiß, wofür er sie bekommen hat?«
    Frankie nickte. »Klar doch. Und jetzt rück die Kohle raus.«
    Eddie fischte zwei Banknoten aus der Ledertasche und schob jedem der beiden einen Fünfzigdollarschein hin.
    Die Brüder wechselten einen Blick und machten ein finsteres Gesicht. »Soll das ein Witz sein? Du hast einen Hunderter für jeden von uns versprochen, nicht einen Hunderter für uns beide!«, knurrte Joe.
    »Den Rest kriegt ihr morgen«, gab Eddie unwirsch zurück. »Das war kein guter Tag für mich.«
    Frankie erhob sich und baute sich drohend vor dem Buchmacher auf, der ihm im Stehen bestenfalls bis zur Taille reichte. »Das interessiert uns nicht! Wir haben eine Abmachung, schon vergessen?«
    Eddie ließ sich nicht einschüchtern. Er war früher mit ganz anderen Typen fertig geworden. Außerdem hatte er ein gutes Leben gehabt und alles erreicht, und er hatte keine Angehörigen, die ihn vermissen würden. Wovor also sollte er Angst haben? Nein, er fürchtete sich weder vor Frankie noch vor dem Tod.
    »Setz dich wieder hin, du Hornochse!«, donnerte er. »Ich habe einen gewaltigen Batzen verloren, als Jed sich weigerte, Silver Flake im Broken Hill Cup verlieren zu lassen; das muss ich erst wieder reinholen.«
    »Das ist nicht unser Problem«, erwiderte Joe. »Wir wollen nur, was uns zusteht.«
    »Hör zu! Einer meiner Männer wird mir gleich morgen früh das Geld bringen, das das Rennen heute eingebracht hat, und dann kriegt ihr, was euch zusteht. Aber jetzt was anderes. Im Futtermittelladen hab ich gehört, dass Jed sein Pferd zum Alice Springs Cup anmelden will. Das muss unbedingt verhindert werden, weil das Preisgeld beachtlich ist. Wenn ihr dafür sorgt, dass er nicht am Rennen teilnehmen kann, zahle ich jedem von euch zweihundert Dollar.«
    Die beiden Brüder wechselten einen Blick. Sie brauchten dringend Arbeit und taten alles, damit sie nicht in irgendeinem Bergwerk unter Tage schuften mussten. Zwar hatte ein Onkel in Adelaide ihnen einen Job in seiner Gießerei in Aussicht gestellt, doch das war eine

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