Im Hauch des Abendwindes
worden waren. Offenbar hatten sie die Suche nach Jed noch nicht aufgegeben.
An diesem Morgen war das Training besonders gut gelaufen; Ruby war in Hochstimmung und sehr zufrieden mit sich. Jeds Ankündigung wirkte wie eine kalte Dusche. Ihre gute Laune verflog schlagartig.
»Ruh dich lieber noch einen Tag aus«, sagte sie schnell. »Du solltest nichts überstürzen, du bist immer noch nicht ganz auf der Höhe.«
Obwohl er anfangs skeptisch gewesen war, musste er zugeben, dass die Methode der Aborigines, die Schlammbehandlung, den Heilungsprozess ohne jeden Zweifel beschleunigt hatte.
»Ich war jetzt seit über einer Woche nicht mehr bei meinem Pferd«, entgegnete er sauer, als Mick Ruby beipflichtete. »Wenn es sein muss, werde ich eben selbst hinausfahren.«
»Silver Flake geht es gut«, erwiderte Ruby mit einem Anflug von Panik. »Sie war nie allein. Wenn Kadee und ich uns nicht mit ihr beschäftigen, hat sie die Kamele und ein paar Esel als Gesellschaft.«
»Ich möchte mal wieder die Zeit nehmen, damit ich weiß, wo sie mit dem Training steht«, beharrte Jed.
Ruby erschrak. Sie konnte dem Pferd natürlich keine Höchstleistung abverlangen so wie Kadee; dafür ritt sie noch nicht lange genug.
»Also?« Jed sah Mick an. »Wirst du mich zu Bernie rausfahren, oder soll ich meinen Wagen aus deinem Schuppen holen und mich selbst ans Steuer setzen?«
Mick drehte sich zu Ruby hin und zuckte hilflos mit den Achseln. Sie wussten beide, dass sich Jed nicht von seinem Vorhaben abbringen ließ.
»Na schön, wie du willst«, sagte Mick resigniert. »Ich werde dich rausfahren.«
»Kadee dürfte bald draußen sein«, meinte Jed mit einem Blick auf seine Armbanduhr. »Wir starten, sobald du so weit bist.«
»Alles klar. Ich werde Jacko sagen, er soll den Laden solange schmeißen. Sonntags ist eh nicht viel los.«
Mick sah Ruby an. Er wusste nicht, was sie vorhatte, aber im Grunde hatte sie keine Wahl: Sie musste Jed die Wahrheit sagen.
Auf der Fahrt zu Bernies Farm herrschte angespanntes Schweigen in Micks Geländewagen. Ruby saß vorne zwischen den beiden Männern. Als sie die Farm erreicht hatten, wandte sich Jed seinem Kumpel zu. Er könne sie hier absetzen und sie später wieder abholen, meinte er.
»Ich kann warten«, entgegnete Mick. Er war sich sicher, dass Ruby moralische Unterstützung brauchte.
»Nein, nein, fahr du nur zurück. Bei uns wird es eine Weile dauern.«
Mick nickte. »Na gut.« Als Ruby und Jed ausgestiegen waren, wendete er und fuhr nach Silverton zurück.
Bernie trat auf seine Veranda hinaus, als er Ruby und Jed auf die Stallungen zugehen sah.
»Hallo, Jed! Schön, dass du wieder unter den Lebenden weilst!«, rief er.
Cindy rannte bellend auf die Besucher zu, verstummte dann aber und wedelte freudig mit dem Schwanz, als sie Ruby erkannte.
»Hallo, Bernie. Ja, es ist ein wunderbares Gefühl, wenn die Schmerzen nachlassen«, antwortete Jed. Er würde es nie wieder als selbstverständlich betrachten, gesund zu sein, so viel stand fest.
»Bist du denn schon wieder fit genug zum Reiten?«, fragte Bernie, wobei er Ruby flüchtig ansah.
»Nein, erst in ein, zwei Wochen. Bis dahin soll Kadee das Training weiterführen. Mich hat’s auf der Fahrt hierher ordentlich durchgeschüttelt, aber wenigstens tut das Atmen nicht mehr so weh.«
Ruby nagte nervös an ihrer Unterlippe. Hoffentlich sagte Bernie nichts von ihren Reitstunden. Er nahm bestimmt an, sie habe Jed bereits davon erzählt.
»Danke, dass ich Silver Flake bei dir unterstellen durfte, Bernie«, fuhr Jed fort. »Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
»Nichts zu danken, ist gern geschehen. Ich hab gehört, diese zwei Ganoven haben in der Stadt wieder nach dir gesucht. Hier draußen waren sie nicht, zu ihrem Glück, sonst hätten sie was erleben können«, fügte er grimmig hinzu. Er nahm seine Aufgabe als Silver Flakes »Beschützer« offensichtlich sehr ernst, wofür Jed ihm aufrichtig dankbar war.
Jed nickte. »Ja, sie sind am späten Donnerstagabend durch Silverton gefahren.«
Er selbst hatte sich im Vorratsraum hinter der Bar aufgehalten, aber den Aufruhr draußen gehört, und Mick hatte ihm später erzählt, was vorgefallen war. Anscheinend waren die beiden Brüder dreist bis vor den Eingang des Pubs gefahren, dann aber von den Gästen, die um diese Zeit schon reichlich angetrunken waren, beschimpft und bedroht und sogar mit Flaschen beworfen worden, sodass sie klugerweise eilig den Rückzug angetreten hatten.
»Ich glaube,
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