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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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morgens in aller Frühe auf, fuhr zu Bernie hinaus, um Silver Flake zu trainieren, kehrte anschließend in ihren Salon in der Stadt zurück und arbeitete abends ein weiteres Mal mit dem Pferd. Wenn sie nach Hause kam, war sie völlig erledigt; sie brauchte ihren Schlaf. »Geh nur wieder ins Bett, ich leg mich auch wieder hin«, fügte sie hinzu.
    Nach einem letzten prüfenden Blick in die Runde ging sie ins Haus zurück. Ruby schüttelte den Kopf. Seltsam, wie viel Aufregendes in diesem Städtchen passierte.
    Als Myra am folgenden Morgen die Eier im Hühnerstall einsammelte, war Ruby schon mit Jed zu Bernie hinausgefahren. Myra machte sich auf den Weg zu Charlie, um ihm die frischen Eier zu bringen, doch sein Laden war noch geschlossen. Komisch, dachte Myra, normalerweise öffnet er doch schon eine Viertelstunde vorher, um halb acht. Verwundert ging sie zu ihm nach Hause. Sie klopfte an die Vordertür, aber niemand antwortete. Erst als sie um das Haus herumgegangen war, an die Fliegengittertür geklopft, durch das Drahtgeflecht gespäht hatte und nach Charlie rief, hörte sie etwas.
    »Komm rein, Myra«, sagte er mit matter Stimme.
    Sie kam seiner Aufforderung nach und fand ihn am Küchentisch sitzend, eine volle Tasse Tee vor sich, die er offenbar nicht angerührt hatte.
    »Warum bist du nicht im Laden? Hast du mich vorne nicht klopfen gehört? Was ist denn los, Charlie?« Myra sah ihn prüfend an. »Fehlt dir was?«
    »Irgendetwas stimmt nicht«, murmelte Charlie mit gesenktem Kopf.
    Er war in der Tat schrecklich blass. »Soll ich Cyril Blake holen?«
    »Nein!«, sagte Charlie schnell. Er stützte seinen Kopf in seine Hände und fuhr leise fort: »Myra, ich glaube, ich habe etwas Schreckliches getan.«
    Myra machte ein verwirrtes Gesicht. »Wie meinst du das?«
    Charlie erhob sich schwerfällig und stapfte zu einem Stapel Zeitungen in einer Ecke. Er nahm die obersten weg und zog ein Hemd hervor, das er offensichtlich darunter versteckt hatte. Myra schnappte erschrocken nach Luft, als sie die Blutflecken vorne drauf sah.
    Sie griff nach dem Hemd und betrachtete die Flecken genauer. »Was ist denn passiert?«
    »Das ist es ja, Myra, ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete Charlie kopfschüttelnd. »Ich war gestern Abend auf ein paar Bierchen im Pub. Eigentlich dürfte ich ja keinen Alkohol trinken, wegen der Medikamente, die ich als Epileptiker nehmen muss. Aber bei der Hitze kann ich manchmal einfach nicht Nein sagen zu einem kühlen Bier, und Mick und die anderen wissen nicht, dass ich nicht trinken darf. Ich habe ihnen nie davon erzählt.«
    »Ich wusste es auch nicht!«, sagte Myra. »Aber ich kann dich verstehen.« Der Pub war der Treffpunkt für die Männer in Silverton, und zu einem geselligen Beisammensein unter Männern gehörte nun einmal ein Drink. Charlie wollte verständlicherweise nicht ausgegrenzt werden. »Vielleicht hast du einen über den Durst getrunken, bist gestürzt und hast dich verletzt, Charlie.«
    Myra versuchte, Ruhe zu bewahren, aber im Hinterkopf hatte sie die Schreie, die sie in der Nacht gehört hatte, und das, was Ruby ihr von Charlies aggressivem Verhalten Girra gegenüber erzählt hatte.
    Er schüttelte den Kopf und nahm sein Hemd wieder an sich. »Nein, ich habe mich schon untersucht. Ich habe keine Schramme, keine Wunde, nichts. Glaubst du … glaubst du, dass ich jemanden verletzt haben könnte, Myra? Wenn ich zu viel trinke, habe ich regelrechte Blackouts. Ich kann mich am nächsten Tag an nichts mehr erinnern, nicht einmal daran, wie ich nach Hause gekommen bin.«
    Myra konnte ihm ansehen, wie sehr ihn die Ungewissheit quälte. Dennoch beschloss sie, ihm die Wahrheit zu sagen. »Eigentlich halte ich das für ausgeschlossen, Charlie, aber ich habe letzte Nacht Schreie in der Nähe des Hauses gehört.«
    »O Gott!«, stöhnte er verzweifelt. Das blutbefleckte Hemd fiel ihm aus der Hand.
    »Jetzt denk nicht gleich das Schlimmste, Charlie. Ich habe die ganze Umgebung mit meiner Taschenlampe abgesucht und nichts Verdächtiges gefunden.«
    Charlies Gesicht nahm einen entsetzten Ausdruck an. »Wenn ich nun jemanden getötet und … und die Leiche irgendwo versteckt habe?« Wieder stöhnte er auf. »Was, wenn ich eine Art Monster bin?«
    »Unsinn, Charlie, du kannst doch keiner Fliege was zuleide tun«, erwiderte Myra. Zumindest hatte sie das bisher geglaubt. »Und jetzt komm! Du musst den Laden aufmachen, sonst fangen die Leute an, Fragen zu stellen. Es gibt bestimmt eine

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