Im Hauch des Abendwindes
Nigels Freundinnen werden vor Neid erblassen, wenn sie mich sehen.«
Auch die fünf Jungs hatten Ruby angefleht, wiederzukommen. Robert wollte ihr zeigen, wie man Motorrad fährt, und Simon wollte ihr das Schießen beibringen. Monty meinte, sie müsse sich unbedingt seine Sammlung von Eidechsenskeletten und Schlangenhäuten ansehen.
Als es Schlafenszeit war, bot Edwina Ruby den Funkraum zum Übernachten an, in dem Jed normalerweise schlief.
»Danke«, erwiderte Ruby, »aber ich schlafe lieber im Wohnmobil.«
»Wäre er ein Kavalier, würde sich Jed dort einquartieren.«
»Es macht mir wirklich nichts aus«, versicherte Ruby ihr. »Ich finde es herrlich, die Sterne sehen zu können.«
»Na schön, aber dann gebe ich Ihnen wenigstens ein Moskitonetz, sonst sehen Sie morgen früh aus wie ein Streuselkuchen.«
Jed sah Ruby an. »Willst du wirklich nicht im Haus schlafen?«
»Keine Sorge, meine Jungs kommen bestimmt nicht auf die Idee zu schlafwandeln«, meinte Edwina lachend.
Jed fand das gar nicht komisch. »Das glaube ich gern. Aber ich weiß trotzdem nicht, ob es für eine junge Frau ratsam ist, über Nacht allein da draußen zu bleiben.«
»Die Hunde sind ja auch noch da«, warf John ein. »Sie schlagen an, wenn sich ein Fremder nähert.«
»Genau«, pflichtete Ruby ihm bei. »Sie werden schon auf mich aufpassen. Mir passiert schon nichts«, beruhigte sie Jed, der ein zweifelndes Gesicht machte.
Ruby wünschte allen eine gute Nacht und zog sich zurück.
John und Jed beschlossen den Abend bei einer Tasse Tee. Als der Farmer bemerkte, dass sich Silver Flake offenbar in einem hervorragenden Zustand befand, erzählte Jed ihm von den Camilleris und ihrer feigen Attacke auf ihn und das Pferd.
»Ruby befürchtet, dass die Gangster uns nach Alice Springs folgen«, fügte er hinzu. »Aber das bezweifle ich. Schätze, die Lust dazu wird ihnen vergangen sein, wenn sie in das Tellereisen getreten sind, das Bernie Lewis in der Futterkammer aufgestellt hat.«
John nickte grimmig. »Sag mir, wie diese Typen aussehen und was für einen Wagen sie fahren, dann werde ich die Farmer entlang der Strecke von hier nach Alice Springs anfunken, damit sie die Augen offen halten.«
»Danke, John, das ist nett von dir.«
»Wenn ich ihnen erzähle, dass diese Gangster versucht haben, Silver Flake zu vergiften, werden sie nicht weit kommen, das verspreche ich dir.«
Als Ruby am anderen Morgen zur Koppel ging, in der die Stute über Nacht gestanden hatte, stieg Jed gerade aus dem Sattel. Die Arme in die Seiten gestemmt, schaute sie zu, wie er steifbeinig auf sie zustakste.
»Kannst du mir sagen, was das soll?«
»Ich wollte dich ausschlafen lassen«, stieß Jed gepresst hervor. Er blieb stehen und holte Luft.
Ruby war sauer. »Du hast Schmerzen, stimmt’s?«
»Es geht«, wehrte er ab. »Hast du gut geschlafen?«
»O ja, ganz wunderbar. Ich könnte mich daran gewöhnen, im Sommer draußen zu schlafen. Ich habe Grillen zirpen gehört und den Mond und die Sterne über mir gesehen. Die Hunde haben mir Gesellschaft geleistet, alle miteinander. Wenn nur der alte Collie nicht so schnarchen würde!«
Der köstliche Duft von Schinken und Eiern stieg ihnen in die Nase, und sowohl Ruby als auch Jed knurrte der Magen vor Hunger.
»In Zukunft überlässt du das Reiten mir«, sagte Ruby, während sie den Sattelgurt löste.
»Irgendwann muss ich ja wieder selbst in den Sattel steigen – du wirst nach dem Rennen doch nach Sydney zurückkehren.«
Da hatte er allerdings Recht. Ruby hatte die Tatsache, dass sie schon bald wieder abreisen würde, völlig verdrängt.
»Aber bis dahin lässt du mich reiten«, erwiderte sie. »Dann kannst du dich noch ein bisschen erholen.«
Eine Stunde von Etamundra entfernt lag die Bergwerksstadt Coober Pedy.
»Man könnte meinen, man befindet sich auf dem Mars«, bemerkte Ruby angesichts der roten, baumlosen Landschaft. Schotterwüsten erstreckten sich ringsum, so weit das Auge reichte. Nur da und dort erhob sich ein Tafelberg. Ruby hatte nie zuvor solche Farben gesehen: Die Nuancen reichten von einem hellen Fahlrot bis hin zu einem satten, tiefen Rotton. Ein Paradies für Künstler, dachte sie. Wenn man genau hinsah, konnte man kleine Sträucher erkennen, die robust genug waren, in dieser Wüste zu überleben, wo im Winter durchschnittlich zehn Millimeter Regen pro Monat und im Sommer ein Drittel davon fielen.
Kurz vor der Stadt bremste Jed jäh ab und zeigte auf eine Echse am Straßenrand. »Hast
Weitere Kostenlose Bücher