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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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du einen unserer Wüstenbewohner schon mal aus der Nähe gesehen?«
    Ruby beugte sich über ihn und schaute aus dem Fenster auf der Fahrerseite. Plötzlich richtete sich die Echse auf den Hinterbeinen auf und breitete eine Hautfalte wie einen Kragen unterhalb ihres Kopfes aus. Der schuppige Körper hatte die Farbe der Wüstenerde und war dadurch perfekt getarnt.
    »Sie macht sich größer, als sie in Wirklichkeit ist, weil sie uns einschüchtern will«, flüsterte Jed.
    »Oh, sie ist wunderschön«, hauchte Ruby, als die Echse schnell davonhuschte.
    Jed guckte sie überrascht an. »Meinst du das im Ernst?«
    »Natürlich meine ich das ernst.«
    »So etwas aus dem Mund eines Stadtmenschen zu hören wundert mich. Anscheinend kommst du nach deinem Dad.«
    Jetzt war Ruby es, die verdutzt war. Aber sie sagte nichts. Als sie die Stadt erreichten, staunte sie über die merkwürdigen Hügel, die zu Hunderten die Landschaft überzogen wie ein ansteckender Ausschlag.
    »Was ist das denn?«, fragte Ruby.
    »Das sind Abraumhalden von den Opalminen. Die Schächte sind übrigens nicht eingezäunt, man sollte also aufpassen, wo man hintritt, vor allem bei Dunkelheit.«
    Sie fuhren langsam durch die Hauptstraße. Ruby fiel auf, dass sich einige recht verdächtige Gestalten dort aufhielten.
    Jed nickte. »Ja, Recht und Gesetz werden hier nicht immer beachtet. Wer seinen Claim in den Opalminen absteckt, tut alles, um seinen Anspruch zu verteidigen. Es kommt vor, dass jemand verschwindet, aber bei der Vielzahl von Bergwerksschächten kann man unmöglich jeden einzelnen nach einem Vermissten absuchen.«
    »Das ist ja fast wie im Wilden Westen!«, bemerkte Ruby.
    Wieder nickte Jed. »Stimmt. In dieser kleinen Stadt leben mindestens fünfundvierzig verschiedene Nationalitäten. Und alle lieben sie den Alkohol.« Er machte eine Pause. »Was wirklich interessant ist, das sind die Höhlenwohnungen.«
    »Höhlenwohnungen?«
    »Ja, Coober Pedy stammt aus der Sprache der Aborigines und bedeutet so viel wie ›Loch des weißen Mannes in der Erde‹. Das bezieht sich vermutlich sowohl auf die Minen als auch auf die Wohnungen. Bei Temperaturen von fast fünfzig Grad Celsius ist es unter der Erde viel kühler und zum Wohnen viel angenehmer.«
    Ruby stand vor Staunen der Mund offen.
    »Ein Freund von mir hat hier mal gewohnt, und da habe ich einige wirklich gemütliche Höhlenwohnungen kennengelernt. Es gibt auch einen unterirdischen Pub. Wenn du willst, machen wir auf dem Rückweg Halt und schauen uns alles an.«
    »O ja, sehr gern. Ich habe zu Hause einen Opalring. Ich würde mir zu gern ansehen, woher der Edelstein vielleicht stammt.«
    Eineinhalb Stunden später hielt Jed an einer Ausbuchtung am Straßenrand an. Er führte die Stute aus dem Anhänger und ging eine Runde mit ihr, damit sie sich die Beine vertreten konnte. Ruby breitete eine Decke neben dem Wohnmobil aus, und als Jed zurückkam, aßen sie die belegten Brote, die Edwina ihnen mitgegeben hatte, und tranken etwas. Rubys Blick verlor sich in der Weite der Landschaft. Keiner von beiden sagte etwas. Jed musterte sie aufmerksam und fragte schließlich: »Woran denkst du?«
    »An gar nichts«, erwiderte sie träge lächelnd. »Ich lausche.«
    »Worauf?«
    »Auf nichts. In der Stadt hört man so etwas nie.«
    Jed lächelte. Er wusste, was sie meinte. Eine Weile lauschten sie beide. Dann schlug Jed nach einer Fliege, die vor seinem Gesicht herumsurrte, und sie lachten.
    In der Ferne konnten sie Hügel und ein paar Bäume sehen, aber an ihrem Rastplatz wuchs nichts, das ihnen Schatten gespendet hätte.
    »Die Gegend hier war vor Jahrtausenden ein großer See«, sagte Jed. »Das kann man sich heute fast nicht vorstellen, nicht wahr?«
    »Da hast du Recht, das ist wirklich schwer vorstellbar.«
    Er stand auf. »Komm, lass uns weiterfahren. Ich will heute Nachmittag auf der Warrigal-Farm sein.«
    Als Jed vom Stuart Highway auf die Zufahrt zur Farm abbog, erzählte er Ruby, Sam Wellington, der fünfzigjährige Besitzer der Farm, habe vor vielen Jahren Seite an Seite mit seinem Vater gearbeitet.
    »Sams erste Frau ist vor ungefähr zwei Jahren gestorben. Sie konnte verdammt hart arbeiten, war aber ein sehr verschlossener Mensch. Ich glaube nicht, dass ihre Ehe besonders glücklich war. Ein halbes Jahr nach ihrem Tod machte Sam Ferien in Queensland. Es waren seine allerersten Ferien überhaupt. Dort lernte er Martina kennen, eine fünfundzwanzigjährige Angestellte eines Hotels auf Fitzroy Island

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