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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Haus.
    »Sie könnten doch bestimmt eine Tasse Tee vertragen, nicht wahr?«
    Ruby nickte lächelnd. Ein schwacher Paraffingeruch stieg ihr in die Nase. Ruby wusste nicht, dass man im Busch Paraffin als Einreibemittel bei Arthritis verwendete. Sie blickte über ihre Schulter und sah, dass Jed mit Johns Hilfe den Anhänger abkoppelte.
    »Ich habe gerade kleine Teekuchen gebacken«, fuhr Edwina fort, als sie Ruby ins Haus schob.
    Ruby folgte ihr durch einen langen Flur. Ein fadenscheiniger Teppich lag auf den knarrenden Holzdielen. Fotografien, auf denen mürrisch dreinblickende, schwarz gekleidete Vorfahren zu sehen waren, hingen in willkürlicher Anordnung an den Wänden. Ventilatoren drehten sich surrend an den hohen Decken. Rechter Hand lagen Schlafzimmer, links führte eine Tür in ein Wohnzimmer, in dem ein wuchtiges, verschossenes Sofa stand und eine große Musiktruhe. Ganz am Ende des Gangs lag die geräumige Küche, wo es nach frisch Gebackenem duftete.
    Ein großer Tisch bildete den Mittelpunkt der Küche. Stühle, die nicht zueinander passten und vermutlich selbst gezimmert waren, standen um ihn herum. Ihre Sitzflächen waren viele Male ausgebessert worden. Auf einem mit verwelkten Blumen dekorierten Blechtablett mitten auf dem Tisch hatten eine Zuckerschale, Salz- und Pfefferstreuer sowie drei halb leere Soßenflaschen ihren Platz gefunden. Edwina forderte sie auf, Platz zu nehmen, und Ruby setzte sich vorsichtig auf einen Stuhl, der unter ihrem Gewicht ächzte und der, wie sie gleich merkte, unterschiedlich lange Beine hatte. Während sie sich insgeheim darauf gefasst machte, gleich auf dem Fußboden zu landen, setzte sie eine gelassene Miene auf und sah Edwina zu, wie sie den Tee einschenkte und die heißen Teekuchen butterte und mit der anderen Hand gleichzeitig die Fliegen verscheuchte. Über dem Herd hingen Fliegenfänger, die schwarz waren von den Fliegen, die daran klebten. Ruby schaute schnell weg. Es war kein schöner Anblick.
    Der Tee wurde schwarz serviert, aber die Teekuchen waren weich und locker und schmeckten köstlich süß. Ruby hätte mühelos einen ganzen Teller voll verdrücken können.
    »Sind Sie Jeds Freundin?«, fragte Edwina neugierig und gab drei Löffel Zucker in ihre Tasse.
    »Du lieber Himmel, nein! Ich bin die Mitbesitzerin von Silver Flake. Wir fahren nach Alice Springs, damit sie dort beim Rennen starten kann.«
    »Mitbesitzerin? Wie ist das denn zugegangen?« Ein paar Kuchenkrumen fielen Edwina aus dem Mund und in die tiefe Spalte ihres Dekolletees.
    »Ich habe meinen Anteil geerbt, aber das ist eine lange Geschichte«, antwortete Ruby ausweichend.
    »Verstehe.« Edwina musterte sie. »Sie sehen nicht aus, als wären Sie vom Land. Woher kommen Sie denn? Was machen Sie beruflich?«
    »Ich komme aus Sydney und bin Friseurin. Ich würde mir gern ein paar Dollar verdienen. Haben Sie Angestellte, die sich vielleicht die Haare schneiden lassen möchten?«
    Edwina schüttelte den Kopf. »Wir haben keine Angestellten, das ist ein reiner Familienbetrieb. Aber einen Haarschnitt könnten wir alle vertragen. Was ist mit Jed? Wenn er Arbeit sucht, könnte er John beim Bau der neuen Zisterne helfen. Unsere Jungs sind mit der Reparatur der Zäune beschäftigt und müssen außerdem die wenigen Rinder zusammentreiben, die wir noch haben, um sie dann auf den Markt zu bringen. John könnte also ein wenig Hilfe brauchen.«
    »Ich fürchte, das wird nicht gehen. Jed hat sich vor Kurzem ein paar Rippen angeknackst und ist noch nicht wieder auf dem Damm«, erklärte Ruby. »Wie viele Söhne haben Sie denn?«
    »Fünf. Unsere Töchter sind verheiratet und haben selbst Familie. Die Älteste lebt in Wagga Wagga in New South Wales und die Jüngste in Bunbury in Western Australia. Einmal im Jahr besuchen sie uns mit ihren Kindern. Und unsere beiden ältesten Jungs wandeln auf Freiersfüßen. Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, bis sie eine eigene Familie gründen.«
    Jetzt war Ruby klar, warum Edwina so abgearbeitet und verbraucht aussah. Hier im Outback erkannte sie, was für ein unbeschwertes Leben sie trotz all ihrer kleinen Sorgen hatte.
    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit war das Knattern von Motorrädern zu hören, und Edwina erklärte, ihre Söhne kämen von der Arbeit.
    »Fünf Pferde sind viel zu teuer im Unterhalt, deshalb haben sie sich die Motorräder gekauft«, fügte sie hinzu.
    Als die Jungs sich am Regenwassertank hinter dem Haus Gesicht und Hände wuschen, ging Edwina zur Tür.

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