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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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wärst du in sie verknallt.«
    »Ich? Quatsch! Ich habe nur versucht, sie möglichst genau zu beschreiben.«
    »Vielleicht reist sie ja doch wieder ab, wenn ich mich nicht blicken lasse.«
    Jed fragte sich, ob sein alter Kumpel ihm nicht einen Bären aufband. Er und Mick hatten sich schon öfter Streiche gespielt. Es würde ihn daher gar nicht wundern, wenn er diese Ruby kennenlernte und sie in Wirklichkeit wie der Hintern eines Kamels aussah.
    »Hab ich schon erwähnt, dass sie nicht nur attraktiv, sondern auch eigensinnig und klug ist?«
    »Okay, ich hab’s kapiert«, erwiderte Jed lachend. Jetzt war er aber wirklich neugierig auf diese Frau.
    »Charlie Gillard sagt, sie will in einem der leer stehenden Läden den Leuten die Haare schneiden.«
    »Was?«
    »Ja, sie ist anscheinend Friseurin von Beruf.« Mick schwieg einen Moment, dann fragte er: »Wann wirst du in die Stadt kommen?«
    Jed schüttelte den Kopf. »Weiß noch nicht. Ich will Flakes Training für den Alice Springs Cup nicht unterbrechen. Bald, denke ich.«
    »Gut. Ich komm wieder vorbei, falls es irgendetwas Neues geben sollte.« Mick stand auf und stapfte zu seinem Wagen. »Mach’s gut, Jed«, rief er über die Schulter.
    »Ja, du auch. Und wenn du das nächste Mal kommst, bring ein Foto von dieser Ruby mit!«
    »Wieso? Glaubst du mir etwa nicht?«, entgegnete Mick lachend.
    Er wusste, was Jed dachte, und es fiel ihm nicht im Traum ein, seine Zweifel zu beseitigen.

12

     
    Am anderen Morgen ging es Ruby viel besser. Sie nahm die Schiefertafel und machte sich in aller Frühe auf den Weg zu ihrem Laden. Ihr Laden! Es war ein merkwürdiges, zugleich aber auch aufregendes Gefühl, die Tür zu ihrem eigenen Geschäft aufzuschließen, selbst wenn es sich nur um einen leeren Raum an einer Straße handelte, die ruhiger war als ein Friedhof am Birdsville Track. Sie stellte das Schild, auf dem sie einen Haarschnitt für läppische fünf Dollar anbot, vor die Tür und wartete.
    Eine Stunde verging, dann noch eine. Gelegentlich ging zwar jemand vorbei und betrachtete das Schild neugierig, aber niemand kam herein. Ruby war das unbegreiflich, da doch jeder im Städtchen einen Haarschnitt nötig hatte. Schließlich änderte sie den Preis, verlangte nur noch vier Dollar und wartete. Niemand kam. Sie setzte den Preis noch einmal herab, auf drei Dollar. Doch die wenigen Passanten, die vorbeikamen, gingen weiter. Zu guter Letzt trat sie vor die Tür und sprach die Leute an. Jeder schüttelte nur den Kopf und winkte ab.
    Als sie bis drei Uhr keinen einzigen Kunden gehabt hatte, war sie ziemlich verzweifelt. Da half es auch nichts, dass Myra vorbeikam und ihr Mut machte.
    »Das wird schon«, versicherte sie. »Die Leute müssen sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass sie sich hier die Haare schneiden lassen können. Das ist nicht wie in der Großstadt. Auf dem Land braucht alles seine Zeit.«
    Nachdem Myra gegangen war, senkte Ruby den Preis auf zwei Dollar. Tiefer kann ich wirklich nicht mehr gehen, sonst bezahle ich am Ende meine Kunden fürs Haareschneiden, dachte sie seufzend. Eine weitere Stunde verging. Niemand kam. Ruby wollte gerade aufgeben, das Schild hereinholen und den Laden schließen, als eine Frau mit einem etwa achtjährigen Jungen und einem vielleicht zwei Jahre jüngeren Mädchen hereinkam.
    »Hallo«, grüßte die Frau. Es klang fast ein wenig ängstlich. »Wir würden uns gern die Haare schneiden lassen.«
    Ruby konnte es kaum glauben. »Aber gern! Wer möchte zuerst?«, fragte sie ganz aufgeregt. Sie sah die Frau an, die trotz der Hitze eine Wollmütze trug, was sie reichlich seltsam fand.
    »Sie haben das doch schon einmal gemacht, oder?«, erkundigte sich die Frau. Sie hatte von Myras neuer Frisur gehört, die unter den Frauen das Gesprächsthema Nummer eins war.
    »Aber ja, ich bin gelernte Friseurin und habe jahrelang in einem Salon in Sydney gearbeitet«, versicherte Ruby ihr.
    Die Frau zog ihren widerstrebenden Sohn am Arm zu dem Stuhl hin. »Du setzt dich jetzt da hin und rührst dich nicht, Frederick, verstanden?«, sagte sie streng.
    Er werde todschick aussehen mit seinem neuen Haarschnitt, versicherte Ruby dem verschüchtert dreinblickenden Jungen, als sie ihm einen von Myra geborgten Umhang um die Schultern legte.
    »Das sind die ersten Kinder, die ich hier sehe«, sagte sie zu seiner Mutter. »Abgesehen von den Aborigine-Kindern, meine ich. Gehen sie in Broken Hill zur Schule?«
    »Nein, es gibt hier im Ort eine kleine Schule mit acht

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