Im Hauch des Abendwindes
hell und modern und mit einem tollen Arbeitsklima.«
»Na ja, betrachte das eben als eine Art Übung für den Salon, den du eines Tages haben wirst«, meinte Myra.
Als Charlie wenig später zu ihnen stieß, entschied sich Ruby für den kleineren der beiden Läden. Charlie eilte davon, um die Dinge zu besorgen, die Ruby benötigte, und als er zurückkam, half Myra ihr, die Spinnweben zu entfernen und den Boden zu fegen. Die Schiefertafel, die Charlie mitgebracht hatte, stellte er manchmal vor seinem Geschäft auf, um auf Sonderangebote hinzuweisen.
Bevor er in seinen Laden zurückkehrte, wandte er sich Myra zu. »Myra, ich weiß, dass du mir böse bist.«
»Du merkst aber auch alles«, entgegnete sie trocken.
»Mick hat einige von uns gebeten, nach verdächtigen Männern Ausschau zu halten, die sich nach Jed erkundigen. Viel mehr weiß ich auch nicht.«
»Ich glaube dir kein Wort.«
»Das ist aber die Wahrheit«, beteuerte Charlie.
»Warum hat mir niemand von der Bürgerversammlung heute Morgen erzählt?«
Charlie sah Ruby an.
»Meinetwegen, Myra«, sagte sie. »Das ist doch logisch.«
»Nun, sie haben sich alle in dir geirrt«, sagte Myra.
»Ja, das ist richtig.« Charlie nickte und sah wieder Ruby an. »Es tut mir wirklich leid, dass wir so unfreundlich zu Ihnen waren. Die anderen bedauern das sicherlich auch.«
»Die meisten Leute in dieser Stadt sind engstirnig und borniert. Man muss sich doch bloß ansehen, wie sie die Aborigines behandeln.« Myra guckte Charlie bei diesen Worten an.
Der wurde rot. »Nun … äh … ich muss in den Laden zurück. Wenn die Damen mich jetzt entschuldigen würden …« Er wandte sich ab und eilte davon.
»Die Menschen ändern sich nicht über Nacht«, meinte Myra. »Die älteren schon gar nicht.«
»Da wir gerade von Aborigines sprechen – hast du Girra zufällig gesehen?«, fragte Ruby.
»Nein, aber das muss nichts heißen.«
Ruby nagte an ihrer Unterlippe. Sie wünschte, sie könnte noch einmal mit Girra reden.
Da sie immer noch ein wenig verkatert war, beschloss sie, ihr Geschäft erst am anderen Morgen zu eröffnen. Sie nahm die Schiefertafel mit zu Myra und suchte nach einem Namen für ihren Salon. Zu guter Letzt beschloss sie, ihn Just Cuts, »Nur Haarschnitte«, zu nennen, weil sie ihren Kunden nur das und nichts anderes anbieten konnte.
An diesem Abend gab es im Silverton Hotel praktisch nur ein einziges Gesprächsthema: Ruby, Jed und das Rennpferd. Die meisten fragten sich, was passieren würde, falls Jed es sich nicht leisten konnte, Ruby auszubezahlen. Einige glaubten, dass Ruby dann vermutlich versuchen würde, ihren Anteil jemand anderem zu verkaufen, einem Fremden möglicherweise, der darauf bestehen würde, das Rennpferd in die Großstadt zu bringen. Andere dachten, Ruby werde vielleicht in Silverton bleiben, um auf das Training Einfluss zu nehmen, was Jed aber, und darin waren sich alle einig, niemals dulden würde. Es gab sogar welche, die überlegten, Ruby ihren Anteil abzukaufen, doch keiner hatte die finanziellen Mittel dazu. Nicht einmal Mick.
Als Mick die Bar zugesperrt hatte, stieg er in seinen Wagen und fuhr Richtung Umberumberka. Nach etwa fünf Kilometern sah er auf der Mundi-Mundi-Ebene den Schein eines Lagerfeuers und nicht weit davon entfernt Jeds Wohnmobil. Abgesehen von Kadee, dem Jockey, war Mick der Einzige, der Jeds Aufenthaltsort kannte.
Jed lag in seinem Schlafsack dicht neben dem knisternden Feuer. Nur hier hatte man nachts vor den Moskitos Ruhe. Da er immer vor Tagesanbruch aufstand, musste er rechtschaffen müde sein. Dennoch war er noch wach und blickte verzaubert zum samtschwarzen Himmel hinauf, wo unzählige Sterne funkelten und die silberne Mondsichel hing. Der Anblick der ins zarte Mondlicht getauchten Mundi-Mundi-Ebene faszinierte ihn immer wieder von Neuem. Für die Ureinwohner, die hier zu Hause waren und in der Nähe ihre Lager hatten, darunter die Stämme der Bulalli, Barkinji und Wilyakali, war die Ebene ein magischer Ort, ein Sitz der Geister und Götter. In Mootwingee, westlich des Darling River, konnte man die Kunst der Aborigines in Form von Felszeichnungen bewundern.
Jed hatte Silver Flake unweit seines Schlafplatzes angepflockt. Im Mondlicht sah die Stute aus wie in einen silbernen Umhang gehüllt, der dort, wo Mähne und Schweif sich befanden, mit blassgoldenen Troddeln geschmückt war.
Jed setzte sich abrupt auf, als er ein Auto kommen hörte, und das Pferd spitzte die Ohren. »Wir kriegen Besuch,
Weitere Kostenlose Bücher