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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Schülern. Aber wenn wir nur einen einzigen Schüler weniger haben, wird die Regierung unsere Schule schließen. Ich bin übrigens die Lehrerin, Helen Carter. Und Sie sind Ruby, nehme ich an.«
    »Ganz recht. Ruby Rosewell. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Carter. Ich hätte eine Bitte. Wenn Sie mit mir zufrieden sind, wären Sie so nett, den anderen Müttern Bescheid zu sagen, damit sie ihre Kinder auch zu mir schicken? Mundpropaganda ist die beste Werbung.«
    »Ja, mach ich«, erwiderte Helen. Ruby steht die wirkliche Bewährungsprobe erst noch bevor, dachte sie.
    Helen war mit dem Ergebnis sehr zufrieden, als ihr Sohn fertig war. Sonya, ihre kleine Tochter, kam als Nächstes an die Reihe. Als auch sie einen hübschen neuen Haarschnitt hatte, schickte Helen ihre beiden Kinder los, sich ein Eis zu kaufen. Dann setzte sie selbst sich auf den Stuhl.
    »Ich muss Sie warnen«, sagte sie zu Ruby. »Meine Haare sind eine echte Herausforderung für Sie. Mein Mann hat sie mir nämlich vor einer knappen Woche geschnitten und total ruiniert.«
    Daher also die Wollmütze. »Das kriege ich schon wieder hin«, meinte Ruby zuversichtlich und wollte ihr die Mütze vom Kopf ziehen. Doch Helen hielt sie mit beiden Händen fest.
    »Ich habe mich seitdem nicht mehr auf die Straße getraut«, sagte sie panisch. »In die Schule bin ich natürlich schon gegangen, aber die Kinder haben mich nie gefragt, warum ich eine Mütze trage.«
    Jetzt wurde Ruby ein wenig nervös. Sie fragte sich, was in aller Welt sie wohl unter der Mütze erwartete. »Sie müssen sie schon abnehmen, Mrs. Carter, sonst kann ich nichts für Sie tun.« Sie wartete.
    »Sagen Sie bitte Helen, und ich sollte vielleicht hinzufügen, dass Rex, mein Mann, von Beruf Schafscherer ist.« Ganz langsam zog sie ihre Mütze vom Kopf.
    Ruby hatte ein professionelles Lächeln aufgesetzt, das allerdings zu einer Maske erstarrte, als sie sah, was von Helens Haaren noch übrig geblieben war.
    »Sie können mir auch nicht helfen, nicht wahr?«, jammerte Helen mit weinerlicher Stimme, als sie Rubys Gesichtsausdruck sah.
    Ruby riss sich zusammen. »Das kriegen wir schon wieder hin«, wiederholte sie beruhigend. Aber einfach würde es nicht werden, das war ihr jetzt klar. Helen sah tatsächlich wie ein geschorenes Schaf aus. Wie ein stümperhaft geschorenes Schaf.
    »Rex hat es nur gut gemeint«, wimmerte sie. »Es ist furchtbar für ihn, dass er mich so zugerichtet hat. Heute Morgen ist er ganz geknickt wieder an die Arbeit zurückgekehrt.«
    »Ach was, alles halb so schlimm«, tröstete Ruby sie. »Ob Sie’s glauben oder nicht, aber ich hab schon Schlimmeres gesehen.«
    »Wirklich?« Helen schnäuzte sich kräftig.
    »Wenn ich es Ihnen sage! Ich habe in einem gut gehenden Salon gearbeitet; was glauben Sie, was mir da schon alles untergekommen ist! Mütter, die ihren Kindern Kaugummi aus den Haaren geschnitten und einen gewaltigen Schaden angerichtet hatten, oder Kinder, die an ihren eigenen Haaren oder denen ihrer Geschwister mit einer Schere herumgeschnippelt oder an Dads Rasierapparat hantiert hatten. Aber Haare wachsen ja zum Glück wieder.«
    Helen erkannte, dass Ruby Recht hatte. Auch wenn sie im Moment aussah, als wäre sie unter einen Rasenmäher gekommen, die Welt ging davon nicht unter. Sie brachte sogar ein kleines Lächeln zustande. »Na, dann legen Sie mal los, viel schlimmer kann es ja nicht werden.« Sie wurde rot, als ihr bewusst wurde, dass Ruby das falsch verstehen könnte. »So war das nicht gemeint«, fügte sie hastig hinzu.
    Ruby lächelte. »Es wird schon sehr kurz werden, Helen, aber wenigstens werden Sie es nicht mehr unter einer Mütze verstecken müssen. Wer weiß, vielleicht lösen Sie sogar einen neuen Trend aus.«
    Als Ruby am Abend nach Hause kam, war sie guter Dinge.
    »Mir scheint, du hast doch noch Kundschaft gehabt«, sagte Myra.
    »Ich habe sechs Dollar eingenommen«, erwiderte Ruby stolz. »Das ist immerhin etwas. Und jetzt, da einer den Anfang gemacht hat, werden die anderen bestimmt auch bald kommen. Charlie wollte seinen Anteil vom Umsatz übrigens nicht annehmen. Ich glaube, er hatte Mitleid mit mir.«
    »Anscheinend hat er doch ein Herz«, grummelte Myra, die ihm immer noch böse war. »Morgen sieht bestimmt alles ganz anders aus, du wirst sehen. Wer war denn da zum Haareschneiden?«
    »Helen Carter mit ihren beiden Kindern. Erst waren die Kinder dran und dann Helen.«
    Myra guckte sie ungläubig an. »Du verlangst nur zwei Dollar für

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