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Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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unten in die völlige Dunkelheit.
    Jeden Meter der Schachtwand tastete er mit den Füßen ab. Plötzlich trat er ins Leere – eine neue Ebene, und das Gitter fehlte!
    Er schwang sich aus dem Schacht heraus und fiel keuchend auf den Boden. Die Vorstellung, nicht mehr sehen zu können, ließ ihn erschaudern. Aber dann dachte er an die Streichhölzer. Er besaß noch Streichhölzer.
    Jeder von ihnen, Vermyllar, Riess und er, hatte genügend Streichhölzer mitgenommen. Aber die einzige Fackel lag oben.
    Annelyn lauschte gespannt. Aus dem Schacht war kein Laut zu hören. Er stand auf und suchte mit zittrigen Fingern nach der Streichholzschachtel, der herrlich ziselierten Schachtel aus feinem Metall und Holz. Er zündete ein Streichholz an und beugte sich über den Luftschacht.
    Das Seil war verschwunden.
    Er wedelte mit der Hand hin und her, um ganz sicherzugehen. Das Seil war tatsächlich verschwunden.
    Abgeschnitten, ohne Zweifel, und geräuschlos nach unten gefallen. Er hatte keine Ahnung, wie tief er in das Graunreich vorgedrungen war… aber der Fleischbeschaffer wußte es bestimmt. Der Fleischbeschaffer würde genau wissen, an welcher Stelle Annelyn sich jetzt befand. Vielleicht war er schon unterwegs, um ihn zu fangen.
    Das Streichholz verbrannte Annelyns Finger.
    Erschrocken blies er es aus und warf es in den Schacht.
    Dann dachte er angestrengt über seine Lage nach.
    Das Seil war zerschnitten. Was das zu bedeuten hatte, lag auf der Hand. Der Fleischbeschaffer hatte gewonnen, Groff mußte tot sein. Ja. Das hieß, es gab keinen Weg mehr zurück. Nein, Augenblick. Nur dieser Rückweg war versperrt, es sei denn, der Fleischbeschaffer ließ ein anderes Seil herunter. Doch damit konnte Annelyn nicht rechnen. Trotzdem, es mußte noch andere Wege nach oben geben; Wege, die zur nächsthöheren Ebene führten.
    Er mußte es versuchen. Zwar wußte er nicht mehr, wie er bis zur Kammer des Meisters der Umwälzung gelangt war – Groff hatte recht, ja – aber er konnte immerhin oben und unten voneinander unterscheiden. Das mochte ausreichen. Er mußte sich auf die Suche machen, bevor ihn der Fleischbeschaffer finden würde. Ja.
    Als erstes brauchte er eine Fackel.
    Er zündete ein neues Streichholz an, hielt die flackernde Flamme hoch und sah sich um. Eine bronzene Faust, fingerlos und ohne Fackel, steckte in der Wand neben dem Luftschacht. Viel mehr war nicht zu erkennen, die Streichholzflamme spendete nur spärliches Licht. Dann verlosch sie.
    Annelyn überlegte. Ohne Zweifel, wo eine Fackelfaust war, würden auch andere zu finden sein. In einer mochte eine brauchbare Fackel stecken. Er ging los. Mit der einen Hand hielt er die Streichholzschachtel umklammert, mit der anderen tastete er die Wand entlang. Als er glaubte, eine zweite Bronzefaust erreicht zu haben, zündete er ein weiteres Streichholz an. Aber auch diese Faust war leer.
    Nachdem er vier Streichhölzer auf diese Weise vergeudet hatte, versuchte er es mit einer anderen Methode. Er steckte die Schachtel in die Tasche, um mit beiden Händen die Wand abfühlen zu können. Er ertastete so acht Halterungen und einen scharfen Me-tallstumpf, der seine Hand aufritzte und auf eine abgebrochene Faust schließen ließ. Aber in keiner war eine Fackel zu finden. Schließlich sank Annelyn verzweifelt zu Boden.
    Auf eine Fackel war nicht zu hoffen. Die Yaga-la-hai hatten schon vor langer Zeit diese tiefen Höhlen an die Grauns abgetreten, und die Grauns haßten Fackeln. Es war aussichtslos. Oben im Untertunnel, ja, und selbst in den Randbezirken, den sogenannten Graungängen. Aber nicht hier.
    Doch ohne Fackel… die Streichhölzer waren so gut wie nutzlos. So würde er nie einen Ausweg finden.
    Annelyn dachte an die Möglichkeit, selbst eine Fackel herzustellen. Er erinnerte sich, daß der Schaft in der Regel aus Holz bestand. Die gebogenen Fackeln schnitzte man aus dem krummen, gelben Holz des Blutfruchtbaumes, dessen Blätter und rot-weiße Beeren in die Brutkästen für Speisewürmer gefüllt wurden. Aber dann gab es noch gerade Fackeln mit langen, weißen Schäften. Sie bestanden aus zusammengebundenen Faserstreifen eines Riesenchampignons, die zur Härtung in eine bestimmte Flüssigkeit getaucht wurden. Dann wickelte man um das Ende ein getränktes Tuch, ein öliges Kissen oder einen schwammigen Pilz. Das war der brennbare Teil der Fackel. Annelyn wußte über Einzelheiten nicht Bescheid. Aber davon abgesehen, wie hätte er ohne Fackel einen Blutfruchtbaum oder einen

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