Im Haus des Wurms
Yaga-la-hai. Diese Meister trugen das Theta-Zeichen und schufen vor langer Zeit Spinnen, Würmer und tausend andere Dinge. Hier, wo ich lebe, brachten sie die Lebensmittel für die Yaga-la-hai hervor.
Hier ließen sie die Blutwürmer entstehen, die bis heute die Grauns bedrohen. Sie weckten den Hunger nach Licht, der die Grauns nach oben in ihr Verhängnis lockt, und riefen die riesigen weißen Freßwürmer ins Leben, die sich von Tag zu Tag in schrecklichem Ausmaß vermehren und zu immer bedrohlicheren Gestalten heranwachsen. Ihr habt all diese Dinge vergessen. Dabei waren die Meister der Umwälzung große Götter, viel größer als euer Weißer Wurm. Grauns weichen vor dem Theta zurück. Aus gutem Grund. Die Yaga-la-hai wissen nichts mehr von diesem Raum hier, die Grauns haben vergessen, wo er liegt. Aber ich habe ihn gefunden und komme langsam hinter seine Geheimnisse. Hier lernte ich die Wahrheit über euren Menschwurm kennen.
Nachdem die Grauns sämtliche Höhlen verdunkelt hatten, töteten sie alle Meister der Umwälzung – bis auf einen. Er aber hatte seine heiligen Embleme verloren und verzweifelte. Trotzdem blieb er Herrscher. Die Yaga-la-hai folgten ihm. Er besann sich auf die Würmer, auf die tausend verschiedenen Wurmarten, die die beste Waffe der Menschen gegen die Grauns waren. Er wußte, daß die Würmer im Gegensatz zu den Menschen hier unten leben und wachsen konnten. Also brachte der letzte Meister der Umwälzung den Priesterchirurgen ein paar Kunstgriffe bei und ließ sich in einen großen Wurm verwandeln.
Dann starb er. Verstehst du, Groff ? Er wollte das Dritte Volk erschaffen. Er war ein Meister der Umwälzung, allerdings kein guter. Er war ein Tier. Seitdem werden alle Herrscher der Yaga-la-hai zu Würmern umgestaltet. Ich komme mehr und mehr Geheimnissen der Meister auf die Spur und werde selber das Dritte Volk ins Leben rufen.
Es wird sich gründlich vom Menschwurm unterscheiden.«
»Du wirst nichts ins Leben rufen«, sagte Groff. Er machte einen Schritt nach vorn, und das Fackellicht tanzte auf der langen Schneide seiner Axt auf und ab.
»Oh?« sagte der Fleischbeschaffer, drehte sich blitzschnell um und schleuderte das große Tor zu, während er vor Groffs sausendem Axthieb in Deckung tauchte. Das Tor fiel krachend ins Schloß.
Dunkelheit.
Und der Fleischbeschaffer.
Hohngelächter.
Annelyn stach wild mit dem Rapier dorthin, wo er den Fleischbeschaffer wähnte. Nichts. Er traf nur ins Leere.
»Riess!« schrie er. »Die Fackel, unsere Fackel ! .« Er hörte wieder das Rauschen von Groffs Axt, ein metallenes Klirren, einen Schrei. Für kurze Zeit flammte ein Streichholz auf. Riess hielt es in hohler Hand. Seine Augen waren weit aufgerissen. Noch bevor Annelyn die Orientierung wiederfinden konnte, zuckte im kleinen Lichtkranz der Flamme ein Messer auf, und das runde Gesicht von Riess löste sich in einen Blutschwall auf.
Das Streichholz fiel zu Boden. Es war wieder dunkel, und das Gelächter setzte von neuem ein. Der Fleischbeschaffer. Der Fleischbeschaffer. Annelyn stand blind und hilflos da, das Rapier in schlaffer Hand. Riess war tot, vielleicht auch Groff, und der Fleischbeschaffer lachte. Er, Annelyn, würde der nächste sein, und er konnte nichts sehen…
Hinter ihm lag der Luftschacht. Er ließ das Rapier fallen, tappte ein paar Schritte zurück und tastete nach dem Kletterseil. In der Dunkelheit ein Geräusch wie das Zerhacken von Fleisch, dumpfes Krachen, Stöhnen.
Annelyn fand das Seil, sprang in den Schacht und kletterte nach oben. Irgend etwas packte ihn am Fuß-
gelenk. Mit einer Hand versuchte er, sich aus dem Griff zu befreien, rutschte mit der anderen Hand ab und fiel, fiel, während die Hand am Seil entlangscheuerte und versengte, fiel, stürzte in das endlose Schwarz. Er warf den Körper zurück und schlug mit dem Rücken gegen eine Wand des Schachtes. Mit eingewinkelten Knien berührte er die gegenüberliegende Wand und keilte sich rutschend im Schacht fest. Die Schmerzen waren kaum auszuhalten, aber jetzt konnte er wieder mit beiden Händen das Seil umklammern.
Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Der Fleischbeschaffer stand über ihm. Annelyn mußte daran denken, was Groff über das Abschneiden des Seils gesagt hatte. Der Fleischbeschaffer würde das Seil durchtrennen und ihn in die Tiefe stürzen lassen.
Annelyn strampelte mit den Beinen, trat aber nur gegen Metall. So schnell er konnte, kletterte er, eine Hand unter die andere setzend, nach
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