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Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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und der Fleischbeschaffer war besonders ungewöhnlich. Außerdem hatte man lange genug die Sonne betrachtet.
    »Es freut mich immer zu hören, daß mein Witz geschätzt wird«, sagte Annelyn und versuchte so, die versteckte Beleidigung des Fleischbringers in ein Kompliment umzumünzen.
    »Ich mag Witz«, sagte der Fleischbringer. »Aber leider trifft man ihn nur zu selten an. Dieser Maskenball ist völlig ohne Witz.«
    Er hat keinen Sinn für das Subtile, dachte Annelyn.
    »Vielleicht hast du eher Geschmack an den ausgelassenen Scherzen der Grauns.«
    Riess kicherte, und der Fleischbeschaffer grinste ihm hämisch zu. »Die Grauns haben mehr Witz als deine einfältigen Freunde - und mehr Wissen als du.«
    Im Hintergrund war unterdrücktes Gelächter zu vernehmen. Ob es den absurden Worten des Fleischbeschaffers galt oder seiner Beleidigung, wußte Annelyn nicht einzuschätzen. »Du kennst also Graungeheimnisse, ja?« sagte er betont heiter.
    »Ja, sie haben Geheimnisse, und ich kenne sie. Darüber hinaus weiß ich noch einiges mehr.«
    »Die Grauns sind Tiere«, schaltete sich Vermyllar ein.
    »So wie du«, entgegnete der Fleischbeschaffer.
    Vermyllar errötete. »Heute nacht trage ich Lumpen, aber nur zur Verkleidung. Mein Großvater war der Sohn eines Menschwurms.«
    »Schön für deinen Großvater«, sagte der Fleischbeschaffer.
    Diesmal lachte Caralee. Annelyn war schockiert darüber, daß sie solche Grobheiten amüsant fand. »Du machst dich über Ehrentitel lustig?« sagte er. »Über das große Wissen? Über Verantwortung?«
    »Ich trage größere Verantwortung«, sagte der Fleischbeschaffer gelassen. »So wie alle, die in die Tiefe gehen und Graunfleisch besorgen. Der Menschwurm kümmert sich bloß um ein paar muffige Riten, die keiner versteht. Und was sein großes Wissen angeht – auch davon habe ich mehr. Die Yaga-la-hai haben keine Ahnung von dem, was im Hause des Wurms geschieht. Und Ehre!« Er deutete mit der Hand zum Fenster. Groff stand immer noch unbeweglich da in seiner kunstvoll gearbeiteten, rostfarbenen Rüstung und trug den Menschwurm auf den Armen. Ein anderer bronzener Ritter zog die Vorhänge zu. Der Tanz hatte mittlerweile wieder eingesetzt.
    »Was ist damit?« wollte Annelyn wissen.
    »Die Ehre ist nichts weiter als ein scheußlicher Schmerz«, sagte der Fleischbeschaffer, und wie zur Bestätigung hob der Menschwurm plötzlich den Kopf, und der weiße Rumpf fing wild in Groffs Armen zu zucken an. »Immer und immer wieder wird dieser Mann unters Messer gebracht, und jedesmal bleibt weniger von ihm übrig. Am Ende stehen völlige Verunstaltung und Tod. Ehre?«
    Die Zuhörer, die sich um sie herum versammelt hatten, blickten irritiert auf. Nur wenigen von ihnen waren die lästerlichen Reden des Fleischbeschaffers schon vorher zu Ohren gekommen. »Der Menschwurm vollzieht den Akt der Läuterung und Reinigung«, sagte Riess. (Er gab sich zwar oft fortschrittlich, war aber im Grunde dumm und engstirnig, und alle wußten es.) »Er wird bald eins mit dem Weißen Wurm sein.«
    Annelyn brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.
    Er hielt sich selbst für eine kritische Person und hatte ein Faible für schockierende Bemerkungen. »Vielleicht ist das, was du über die Ehre sagst, gar nicht so falsch«, sagte er zu dem Fleischbeschaffer. »Freidenker wie ich haben auch schon diesen Wert in Frage gestellt, aber…«
    Der Fleischbeschaffer warf den Kopf in den Nacken und brüllte vor Lachen. Annelyns Gesicht wurde dunkelrot. Er versuchte krampfhaft, Fassung zu bewahren, und kippte mit einem Schluck den Wein hinunter – mitsamt Wurm.
    »Freidenker!«
    prustete der Fleischbeschaffer
    schließlich, als sein Lachen abnahm. »Ich bezweifle, daß du jemals einen freien Gedanken gehabt hast. Du bist nichts, weniger noch als der Menschwurm.«
    Er stieß Annelyn zur Seite und schenkte sich selbst Wein in einen Kelch ein.
    »Ich habe einen Graun getötet«, sagte Annelyn voreilig und bereute sogleich, daß er sich zu diesem Satz hatte provozieren lassen.
    Der Fleischbeschaffer warf nur einen spöttischen Blick über die Schulter und grinste, und alle fingen an zu lachen. Ein Kommentar war überflüssig. Jeder wußte, daß der Fleischbeschaffer nicht nur einen, sondern wahrscheinlich hundert Grauns getötet hatte. Selbst Caralee stimmte mit in das allgemeine Gelächter ein, und nur Vermyllar und Riess hielten sich aus Verlegenheit zurück. Obwohl er größer war, hatte Annelyn den Eindruck, als überrage ihn der

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