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Im Haus meines Feindes

Im Haus meines Feindes

Titel: Im Haus meines Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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bevor ein Alligator ihn fraß oder er an Hunger, Durst und Erschöpfung starb.
    Sie hatten ihn vor den Gefahren der Sümpfe gerettet, aber ihre Gastfreundschaft ließ viel zu wünschen übrig. Ihr Mißtrauen konnte jederzeit in Bösartigkeit umschlagen. Mit Leuten dieser Art war nicht zu spaßen. Gregory fühlte sich unwillkürlich an den Film Deliverance – Beim Sterben ist jeder der erste erinnert.
    Um die allgemeine Stimmung zu verbessern, sah er lächelnd zu seiner Gastgeberin auf. »Das sieht köstlich aus. Ich danke Ihnen, Ma’am.«
    Sie fauchte nur, wobei sich eine große Zahnlücke zeigte, wo mehrere Zähne hätten sein sollen. Dann sagte sie etwas auf Cajun-Französisch zu ihrem Mann, der eine säuerliche Antwort knurrte. Die Kinder waren so verschlossen wie ihre Eltern. Sie hielten sich schweigend im Hintergrund und sahen zu, wie Gregory seinen Eintopf löffelte.
    Er war ausgehungert, aber nach wenigen Löffeln merkte er, daß er den Gumbo erst hätte kosten sollen, bevor er ihn in sich hineinschlang. Der dicke, dunkle Eintopf enthielt Fleisch von verschiedenen Schalentieren, Okraschoten, Zwiebeln, Tomaten und Reis, aber die Köchin hatte reichlich Gewürze dazugetan, die ihm den Schlund verbrannten.
    Nach einem großen Schluck Wasser aß Gregory langsamer
weiter. Da sein Magen in den letzten Tagen geschrumpft zu sein schien, war er schnell satt und konnte die Portion nur halb aufessen. »Vielen Dank«, sagte er und klopfte sich auf den Bauch. »Das war köstlich, aber ich bin voll.«
    Die Frau räumte kommentarlos Suppenteller und Eßlöffel ab, ließ aber das Wasserglas stehen. Der Mann setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. Der Kerl war unglaublich behaart. Dicke schwarze Haare wuchsen ihm aus Nase und Ohren und auf den Fingerknöcheln. Seine Kopfbehaarung war von einer Kappe zusammengedrückt worden, aber sein Kinn verschwand unter einem buschigen Vollbart, der bis zu der dichten Brustbehaarung reichte, die unter seinem offenen Hemdkragen hervorquoll.
    Â»Wie heißt du?«
    Gregory, der ihn erstmals Englisch sprechen hörte, stotterte: Ȁh, Gregory.«
    Â»Pater Gregory?«
    Gregory war im ersten Augenblick verblüfft, bis ihm einfiel, daß er noch immer den hinten zugeknöpften Kragen trug. Ȁh, ja. Pater Gregory.« Einen Priester würden Sie vielleicht ehrerbietig behandeln. Zum Beispiel konnte sein Tod kurz und schmerzlos statt lang und qualvoll sein.
    Seine Lüge zeigte die erhoffte Wirkung. Die Familienmitglieder waren sichtlich beeindruckt, einen Mann Gottes in ihrer Mitte zu haben, und schwatzten aufgeregt durcheinander. Nach einiger Zeit stieß der Hausherr jedoch einen schrillen Pfiff aus, der die anderen sofort zum Schweigen brachte.
    Er musterte Gregory mißtrauisch. »Was ist mit deinem Gesicht?«
    Â»Ich bin gegen einen Ast geprallt.«
    Zwei Augenbrauen, die wie auf die Stirn geklebte Raupen aussahen, zogen sich zu einem ungläubigen pelzigen Stirnrunzeln zusammen.
    Â»Ich habe mich verirrt, wissen Sie«, sagte Gregory. Sein
Gegenüber musterte ihn unverändert mißtrauisch. Er sprach hastig weiter. »Ich, äh, ein Freund von mir und ich wollten einen Campingausflug machen. Er ist mit dem Wagen und unserem Proviant vorausgefahren. Ich sollte das Boot nehmen und mich an einer vereinbarten Stelle mit ihm treffen. Aber ich habe mich verfahren. Hab’ nicht aufgepaßt und bin an einen tiefhängenden Ast geknallt. So heftig, daß ich gleich umgekippt bin. Dann ist mein Boot endlos lange mit mir weitergetrieben, bis es dort hängengeblieben ist, wo Sie mich gefunden haben.« Er schlug das Kreuzzeichen. »Gott segne Sie, mein Freund.« Um seinen Monolog abzuschließen, fügte er hinzu: »Mein Amtsbruder macht sich bestimmt große Sorgen um mich. Ich möchte wetten, daß er längst einen Suchtrupp organisiert hat.«
    Der struppig Behaarte sah zu seiner Frau auf und grunzte nichtssagend; sie sog die Luft durch eine Lücke ein, wo ein Schneidezahn hätte sitzen sollen.
    Ihre Zurückweisung traf Gregory schwer. Am liebsten hätte er geweint. Er saß so in der Klemme, daß ihm nur noch ein denkbarer Ausweg blieb: Er mußte an die Gutherzigkeit seiner Eltern appellieren. Obwohl sie sich schon ein dutzendmal von ihm losgesagt hatten, halfen sie ihm doch immer wieder aus der Patsche, wenn seine Lage

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