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Im Haus meines Feindes

Im Haus meines Feindes

Titel: Im Haus meines Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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sie sich denn gar nichts aus ihm? Vielleicht nicht. Vielleicht hatte sie sich nur einen Liebhaber
genommen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Oder vielleicht schmeichelte er sich damit selbst.
    Â»Na, fühlst du dich jetzt besser?« fragte sie ihn unüberhörbar sarkastisch.
    Â»Nein«, antwortete Burke aufrichtig, während er sich das Gesicht abtrocknete. »Nicht sehr.«
    Â»Hast du vor, auch mich zu verprügeln?«
    Er wandte sich vom Waschbecken ab, betrachtete sie nachdenklich und fragte sich, wann Barbara so zynisch und unnahbar geworden war. War sie schon immer so gewesen? Oder hatten Jahre der Unzufriedenheit und des Unglücklichseins sie zu der verbitterten Frau gemacht, die ihm jetzt gegenüberstand? Jedenfalls erkannte er in ihr kaum noch die Jungverheiratete, mit der er damals ein gemeinsames Leben begonnen hatte. Er kannte diese Frau überhaupt nicht und sah in ihr nichts, was er hätte kennenlernen wollen.
    Â»Ich werde dir nicht den Gefallen tun, darauf auch nur zu antworten.«
    Â»Du hast mich mißhandelt, Burke, wenn auch nicht mit deinen Fäusten.«
    Â»Wie du meinst.« Er ging an ihr vorbei ins Schlafzimmer, zog seinen Koffer unter dem Bett hervor und machte sich daran, den Inhalt seiner Kommodenschubladen hineinzukippen.
    Â»Was machst du da?«
    Â»Ist das nicht offensichtlich?«
    Â»Bild dir ja nicht ein, du könntest wegen Ehebruchs auf Scheidung klagen. Unsere Probleme haben schon begonnen, bevor …«
    Â»Bevor du angefangen hast, mit anderen Männern in unserer Dusche zu bumsen?«
    Â»Ja!« fauchte sie. »Und er war nicht der erste.«
    Â»Das interessiert mich nicht.« Nachdem er ein paar Sachen aus dem Kleiderschrank in den Koffer geworfen hatte, ließ er die Verschlüsse zuschnappen.

    Â»Wohin willst du?«
    Â»Keine Ahnung.«
    Â»Aber ich weiß ja, wo ich dich finden kann, nicht wahr?«
    Â»Richtig«, antwortete er und ließ es dabei bewenden. Der Teufel sollte ihn holen, wenn er vor seiner ehebrüchigen Frau seine Arbeitsmoral rechtfertigte. »Die Sache mit der Scheidungsklage überlasse ich dir, Barbara. Ich werde die Gründe, die du vorbringst, nicht anfechten. Meinetwegen kannst du sagen, ich sei ein schlechter Versorger, gewalttätig oder schwul. Das ist mir alles völlig egal.«
    Als er sich umsah, um zu kontrollieren, ob er etwas Wichtiges vergessen hatte, dachte er traurig, wie leicht und schnell er gepackt hatte. Sie hatten in diesen Räumen nicht miteinander gelebt; sie hatten hier nur gewohnt. Er verließ das Haus ohne irgendwelche persönliche Besitztümer. Er hatte nur das Notwendigste zusammengepackt, und das hätte jedem gehören können. Er ließ nichts zurück, was ihm etwas bedeutete. Auch Barbara zählte nicht dazu.
    Â 
    Burke wußte nicht einmal, ob das Gebäude noch stand. Aber er fand es geduckt zwischen ähnlichen Bauten stehend, die alle den näherrückenden Modernisierungsmaßnahmen hartnäckig widerstanden.
    Der zunehmende Tourismus zerstörte rasch die Einzigartigkeit von New Orleans – und damit die große Attraktion, die die Touristenströme erst anlockte. Diesem Paradoxon war mit Logik nicht beizukommen.
    Burke hätte es bedauert, dieses Gebäude nicht mehr vorzufinden  – es war zwar heruntergekommen, aber es besaß Charakter. Wie eine würdevolle Greisin, die einer seit Jahrzehnten veralteten Mode die Treue hielt, trug es sein Alter mit Würde und bewundernswerter Gelassenheit. Aus dem schmiedeeisernen Balkongitter im ersten Stock war ein Stück herausgebrochen. Der gepflasterte Weg zum Hauseingang war bucklig. Aus
Rissen im Mörtel sproß Unkraut, aber aus den Schalen mit Stiefmütterchen zu beiden Seiten des Tores sprach ein gewisser Stolz. Das Eisentor quietschte, als Burke es aufstieß.
    Hinter der ersten Tür links wohnte der Hausmeister. Burke drückte auf den Klingelknopf. Der Mann, der an die Tür kam, war nicht derselbe, der ihm vor vielen Jahren ein Zimmer vermietet hatte, aber dieser Mann und die Gestalt aus seiner Erinnerung waren praktisch austauschbar. Die Wohnung des gebeugt dastehenden älteren Gentleman war mit ungefähr dreißig Grad völlig überheizt und roch nach Katzenklo. Tatsächlich hielt er eine große Tigerkatze auf dem Arm, während er Burke mit den wäßrigen Augen eines lebenslänglichen Alkoholikers neugierig

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