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Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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»Madame, ich bin – untröstlich. Und seid
versichert, ich fühle Euren Schmerz mit. Ich … meine Familie … wir sind noch
zutiefst erschüttert. Es war ein Unfall. Die Paviane haben Euren und meinen Sohn
angegriffen. Sie feuerten auf die Tiere – und Euer Sohn wurde unglücklicherweise
von einer Kugel getroffen.«
    Ben musste mehrmals schlucken, ehe er ein Wort
herausbrachte. Er wollte zu Charlotte gehen, sie stützen, doch er konnte sich
nicht bewegen. Aus tränennassen Augen sah er zu Albert Lammersburg hin.
»Mörder«, flüsterte er. »Euer Sohn ist ein Mörder. Er hat mein Kind auf dem
Gewissen!« Brüchig klang seine Stimme, fast tonlos. Und doch war jede Silbe eine
Anklage.
    Â»Nein! Es war ein Unfall!« Immer und immer wieder
schüttelte der hagere Winzer den Kopf. Nichts mehr zu spüren von seiner
Selbstherrlichkeit, von seiner bösartigen Überheblichkeit. Er wirkte tief
betroffen und hatte Mühe, nicht ganz die Fassung zu verlieren.
    Â»Bastian … ich will zu ihm!« Ehe jemand sie
daran hindern konnte, war Charlotte aus dem Raum gestürzt. Sie taumelte durch
die Halle, hastete die Stufen zum Hof hinunter – und wäre fast mit Sina
zusammengestoßen, die durch die Schreie aufmerksam geworden war.
    Â»Was ist denn passiert? Charlotte …« Hilflos
brach Sina ab. Doch sie folgte der Gutsherrin, die jetzt, ungeachtet der
Wassermassen, die vom Himmel stürzten, auf die Kutsche zulief. Die zwei Pferde
hielten den Kopf gesenkt, der schwarze Kutscher hatte sich einen alten Mantel um
den Körper geschlungen und eine Decke über seine Füße gebreitet. Von der
Hutkrempe rann Wasser in kleinen Rinnsalen zur Erde, als er den Kopf drehte und
Charlotte ansah, die vergeblich versuchte, mit ihren zitternden Händen die Tür
zur Kutsche zu öffnen.
    Mit einem Satz war der Schwarze vom Bock
gesprungen und half ihr. Beim Anblick des Toten, der mit angewinkelten Beinen
auf der Rückbank der Kutsche lag, zog der Mann den Hut.
    Charlotte hielt sich am offenen Wagenschlag fest.
Ihre Stimme war kaum zu vernehmen, als sie sagte: »Bringt ihn hinein. Bringt
meinen Jungen hinein.« Dann brach sie zusammen.
    Sina, die Charlotte gefolgt war, versuchte, sie
aufzurichten, aber sie war zu schwach.
    Â»Lass mich das machen.« Mit einem Mal waren ganz
viele Menschen da – Karl, Thabo und Will, eine junge Küchenhilfe, zwei Arbeiter,
die zusammen mit Karl aus dem Weinkeller kamen und erschüttert zusahen, wie der
älteste Sohn seine Mutter ins Haus trug.
    Will beugte sich ins Wageninnere und hob
Sebastian heraus. Der Körper des Toten war schwer, Blut befleckte Wills graues
Hemd, doch niemand kümmerte sich darum.
    Schweigend trug Karl seine Mutter in ihre Räume,
während Will Sebastian in dessen Zimmer brachte. Ben zögerte, alles drängte ihn,
zu seinem Sohn zu gehen, aber er begriff, dass Charlotte ihn jetzt dringend
brauchte.
    Â»Karl, du kümmerst dich um Sebastian?« Seine
Stimme war nur ein Flüstern.
    Â»Ja, Vater.« Karl ging in Sebastians Zimmer und
trat an das Bett, auf dem sein toter Bruder lag, strich ihm die nassen
Haarsträhnen, die sich aus dem Zopf im Nacken gelöst hatten, aus dem Gesicht. Es
war eine liebevolle Geste voll brüderlicher Zärtlichkeit.
    Â»Was ist denn los?« Madeleine, durch die Unruhe
im Haus aufgeschreckt, stand auf einmal neben ihm. »Was hat er denn? Bastian,
was ist denn los mit dir?« Sie wollte den Bruder an der Schulter rütteln, doch
Karl hielt ihren Arm fest und schüttelte den Kopf.
    Â»Nicht, Madeleine.« Er legte ihr den Arm fest um
die Schultern. Seine Stimme zitterte, als er sagte: »Unser Sebastian … ist
tot.«
    Langsam hoben sich die Nebel über den
Weinbergen, die fahle Wintersonne tauchte diesen Morgen des Jahres 1823 in ein trübes Licht. Vom Meer her wehte nur noch
ein leichter Wind. Die heftigen Regenfälle der vergangenen Tage hatten die Wege,
die zwischen den Weinbergen hindurchführten, ausgewaschen. Nackter Schiefer
blitzte an einigen Stellen hervor, nur zum Teil verdeckt von grüngrauen
Unkrautnarben.
    Die dunkel ausgeschlagene Kutsche, von vier
Rappen gezogen, rumpelte mühsam über den breiten Weg, der zu dem kleinen, von
einem halbhohen Steinwall umgebenen Friedhof von Hopeland führte. Gleich hinter dem Pfarrer, dessen Soutane
schlammbespritzt war, gingen zwei Messdiener mit gesenktem

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