Im Herzen der Feuersonne
Ben trat neben
seine Frau, legte ihr den Arm um die Schultern. »Er ist meine ganze Freude«,
sagte er. »FleiÃig, zuverlässig ⦠bei ihm wird unser Gut einmal in den besten
Händen sein. Und Sophie wird dir nachzueifern suchen.«
»Ich liebe sie wie eine Tochter.« Charlotte
drehte sich zu Ben um. »Wenn sie nur öfter hier sein könnte! Sie ist ein so
kluges, kultiviertes Mädchen; ihre Gesellschaft tut Madeleine gut. Wenn sie sich
ein wenig von Sophies Verhalten abschaut, wird sie hoffentlich ruhiger.«
Gerade als Ben antworten wollte, hörten sie
drunten im Hof eine Kutsche vorfahren. Charlotte zog einen der hohen
Fensterflügel auf. »Das ist sicher Sebastian!« Ein helles Leuchten glitt über
ihr Gesicht. »Endlich ist er zurück! Und gerade noch rechtzeitig, bevor das
Unwetter richtig losgeht!« Sie machte Anstalten, aus dem Zimmer zu laufen.
»Lass mich nachsehen gehen.« Mit einer knappen
Geste hielt Ben sie zurück. »DrauÃen ist es viel zu kühl für dich.« Er küsste
ihre Hand. »Wenn es Sebastian ist, wird er sowieso gleich zu dir kommen.« Er
selbst war irritiert darüber, dass eine Kutsche in den Hof gerollt kam.
Sebastian aber war nur mit dem eigenen Pferd unterwegs gewesen. Doch er wollte
Charlotte nicht gleich beunruhigen; seit Tagen machte sie sich Sorgen um ihren
jüngeren Sohn.
»Ich sage in der Küche Bescheid, der Kutscher
soll eine warme Mahlzeit bekommen.« In Charlottes Wangen war eine leichte Röte
gestiegen, und sie lief hastig aus dem Zimmer
Kaum hatte Ben er das Haus durch den
Seiteneingang, der gleich auf den Hof führte, verlassen, kam Albert Lammersburg
ihm entgegen. Er hinkte stark, die Gicht machte ihm ebenso zu schaffen wie ein
hartnäckiges Gallenleiden. Sein narbiges Gesicht war ernst, und er zog den Hut,
kaum dass er den überdachten Vorhof erreicht hatte.
»Lammersburg! Das ist eine Ãberraschung!« Ben
straffte sich und trat auf den Nachbarn zu. »Was führt Euch her? Wollt Ihr hier
das Unwetter abwarten?« Er machte eine einladende Geste zum Haus hin.
»Nein, ich ⦠ich glaube, es ist besser, wir â¦Â«
Der dürre Mann mit dem grauen Haar, dessen Hautfarbe ins Gelbliche spielte und
von seinem Leiden kündete, drehte den Hut in den Händen. »Es ist etwas
geschehen«, begann er, hielt aber inne, als eine Sturmbö ihm den weiten Mantel
mit der Pelerine fast vom Körper riss.
Ben nahm ihn beim Arm. »Kommt ins Warme. Ihr seid
ja ganz ausgekühlt.« Er winkte dem schwarzen Kutscher. »Fahr hinüber in den
Stall, dort soll man die Pferde versorgen. Und du lass dich in der Küche drüben
verköstigen.«
Der Kutscher aber rührte sich nicht. Abwartend
sah er seinen Herrn an, der ihm mit einer Handbewegung gebot, zu warten.
Dann folgte Albert Lammersburg Ben ins Haus, doch
kaum waren sie in die holzgetäfelte Eingangshalle getreten, von der fünf Türen
abgingen, sank er auf einen der drei Sessel, die vor der Tür zum Wohnbereich
standen. »Verzeiht mir ⦠Verzeiht uns«, stieà er keuchend hervor. »Es war ein
Unglück, ein tragischer Jagdunfall. Euer Sohn ⦠Wir konnten ihm nicht mehr
â¦Â«
»Nein!« Ben hatte schreien wollen, doch es kam
nur ein Krächzen über seine Lippen. Mit einem langen Satz war er bei
Lammersburg. »Was ist mit meinem Sohn?« Er schüttelte den hageren Nachbarn, und
dieser lieà es geschehen, ohne sich zu wehren.
»Er ist ⦠Ich habe ihn heimgebracht. Er liegt
noch in der Kutsche. Es war ein Jagdunfall, sagt mein Sohn. Er ist ebenso
untröstlich wie ich. Und Ihr könnt versichert sein, dass wir â¦Â«
»Bastian!« Von den beiden Männern unbemerkt, war
Charlotte hinzugetreten. Aus schreckensstarren Augen sah sie auf den Besucher,
von dessen Mantel der Regen tropfte. Aber niemand achtete darauf.
»Was ist mit Sebastian?« Ben griff nach Albert
Lammersburgs Arm. »Los doch, Mann! Redet!«
»Er ist tot.«
»Nein!« Charlottes Schrei gellte durch das Haus.
Die Beine drohten ihr den Dienst zu versagen, und sie hielt sich am Türrahmen
fest. »Sagt, dass das nicht wahr ist! Ihr lügt doch! Ihr wollt uns â¦Â« Tränen
erstickten ihre Stimme.
Albert Lammersburg war aufgestanden. Mit
gesenktem Kopf ging er auf Charlotte zu. Aus groÃen Augen, die dunkel waren vor
Gram und Entsetzen, sah sie zu ihm auf.
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