Im Herzen der Feuersonne
Charlotte lieà es nicht zu. »Bleib«, forderte sie
noch einmal â und endlich begriff er. Leise lachte er sie an, bevor er sie noch
einmal liebte.
Erst als zwei Stunden später die Sonne sank, als
sich der Himmel von strahlendem Blau in leuchtendes Orange verwandelte, wachten
sie aus ihrem Rausch auf.
Ohne etwas zu sagen, kleideten sie sich an.
»Wie sehe ich aus?«, fragte Charlotte ein wenig
verlegen, als sie mit den Händen versuchte, ihr langes Haar zu bändigen, das ihr
jetzt bis weit über die Schultern fiel.
»Wenn ich mein Herz nicht schon an dich verloren
hätte, dann wäre es in diesem Augenblick um mich geschehen«, meinte Ben.
»Ach nein, welch rührender Anblick!« Eine harte
Stimme lieà sie zusammenschrecken. »Mein Nachbar Ruhland und sein reiches
Liebchen!«
»Lammersburg! Ihr wagt es!« Ben bebte vor Zorn.
Wie lange war sein Nachbar schon in der Nähe? Hatte er sie gar beobachtet? Der
Gedanke trieb ihm das Blut ins Gesicht.
»Ach was, stellt Euch nicht so an! Hier ist
freies Land, ich kann tun und lassen, was ich will. Und sagen werde ich auch,
was ich denke!« Albert Lammersburg kam näher, sein Apfelschimmel tänzelte nervös
auf der Hinterhand, als er das Tier dicht vor Charlotte zügelte. »Ich hoffe, Ihr
wisst, auf wen Ihr Euch da eingelassen habt, meine Schöne«, meinte er und zog
spöttisch den Hut. »Aber jeder so, wie er mag. Ich denke nur, Ihr hättet etwas
Besseres verdient als einen Emporkömmling, der seinen Besitz nicht einmal
richtig verteidigen kann! Ich darf mich empfehlen!«
»Lammersburg!« Mit drei Sätzen war Ben bei der
Kutsche und zog jetzt das Gewehr unter dem Kutschbock hervor. »Ihr werdet mir
gegenüber nie wieder unverschämt â¦Â«
»Wollt Ihr mich hier auf offenem Feld
erschieÃen?« Albert Lammersburg lachte meckernd. »Das würde Eurem Fräulein Braut
sicher nicht gefallen. Und es wäre auch kein rühmliches Ende dieses
Schäferstündchens.« Damit riss er den Hengst brüsk am Zügel herum und preschte
davon.
»Wer war das?« Zitternd schmiegte Charlotte sich
an Bens Brust. »Er hat mir Angst gemacht.«
»Du musst keine Angst haben.« Ben küsste sie
zärtlich auf das Haar. »Das war Albert Lammersburg â ein Winzer, dessen Besitz
im Osten an meinen grenzt. Er ist ein ziemlich grober, unangenehmer Kerl«, sagte
Ben.
»Ich möchte nach Hause.« Charlotte sah mit einem
kurzen traurigen Lächeln zu ihm auf. »Schade, dass unser Zusammensein so enden
musste.«
»Muss es doch gar nicht!« Ben nahm ihr Gesicht in
beide Hände und sah ihr tief in die Augen. »Ich weià ein Mittel, um alle
Gedanken an diesen Kerl zu vertreiben.«
Und wirklich â in der nächsten halben Stunde kam
Charlotte nicht mehr dazu, an irgendetwas anderes zu denken als an ihr Glück mit
Ben.
***
Â
Charlotte presste eine Hand auf ihren
schmerzenden Rücken. Sie stand am offenen Fenster des Schlafzimmers und sah
hinaus in die Weinberge, die sich vor ihren Blicken ausbreiteten. In langen,
nicht enden wollenden Reihen zogen sie sich vom Gutshof die drei Hügel hinauf,
die sie von hier aus sehen konnte. Weiter nordöstlich lagen zwei weitere
Weinberge, doch die Stöcke dort würden in diesem Jahr noch nicht tragen. Ben
hoffte allerdings, dass die älteren Rebstöcke, die er rekultiviert hatte, und
auch einige der neueren einen gewissen Ertrag bringen würden.
»Es wird noch nicht viel sein, was wir keltern
können«, hatte er ihr erst vor einigen Tagen erklärt, »doch ich kann es kaum
erwarten, meinen ersten eigenen Wein zu machen.«
Charlotte konnte ihren Mann, mit dem sie gerade
einen Monat lang verheiratet war, verstehen. Ben war ehrgeizig, er wollte allen,
die ihm misstrauisch gegenüberstanden, beweisen, dass er es schaffte.
Die junge Frau in dem hellen, schlicht
geschnittenen Hauskleid aus altroséfarbenem Wollstoff seufzte auf, dann wandte
sie sich wieder den drei Kisten mit Hausrat zu, die noch ausgepackt werden
mussten. Die Schränke und Truhen füllten sich immer mehr.
Es klopfte kurz, dann trat Sina ein. »Kann ich
dir helfen?«, fragte sie. »Das Mittagessen ist fertig; wenn die Männer gleich
vom Weinberg kommen, können sie essen. Es gibt Hammelbraten und Bohnen.«
Charlotte verzog leicht den Mund, doch sie sagte
nichts. Sie selbst verabscheute
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