Im Herzen der Feuersonne
Hammelfleisch, die Männer aber würden ein
kräftiges Essen zu schätzen wissen. Seit dem Morgengrauen waren sie im Weinberg
und kontrollierten die jungen Trauben, schnitten überflüssige Triebe ab und
schauten nach, dass sich nicht zu viel Ungeziefer ausbreitete.
»Die Tischwäsche ist drüben in dem groÃen
Bastkorb«, sagte sie zu Sina. »Die sollten wir aber gleich im Essraum in einem
Schrank unterbringen. Darüber liegt noch eine Seidendecke für das Bett.« Sie
zuckte mit den Schultern. »Ich weià gar nicht, was Tante Helene noch alles
eingepackt hat. So viel Aussteuer muss man doch nicht haben!«
Sina erwiderte nichts darauf. Der Ãberfluss, der
auf Hopeland herrschte seit Bens Hochzeit mit der
reichen Charlotte, machte ihr hin und wieder Angst. So viel Luxus! So viele
fremde Dinge gab es jetzt, Dinge, die Sina nicht kannte. So zum Beispiel
Seidenwäsche, die man ganz besonders vorsichtig reinigen musste. Oder Glaskrüge
aus Italien, die so leicht zersprangen, wenn man sie fallen lieà ⦠Hin und
wieder sehnte sich Sina nach der Zeit zurück, in der sie allein mit Ben auf dem
Gut gewohnt hatte.
Das neue Haus war schneeweià gekalkt und verfügte
im ersten Stockwerk, im groÃen Wohnraum, über einen Erker, vor dessen Fenster
Geranien blühten. Und es gefiel Charlotte sehr. Inzwischen hatte sie Sina zur
»Hausdame« ernannt und ihr die Aufsicht über Josy und Kimani übertragen, die
Charlotte aus dem Haushalt ihres Vaters mitgebracht hatte. Die beiden Mädchen
waren noch sehr jung und mussten angelernt werden, aber sie waren anstellig, und
Sina schien gut mit ihnen auszukommen.
»Sina, reich mir mal die Decken, die können oben
in den Schrank!« Charlotte wies auf eine Truhe, die gefüllt war mit Leinenzeug
und weichen Wolldecken. Alles kam in den deckenhohen, mit Schnitzereien
verzierten Schrank, der an der Längsseite des Schlafraums stand. Hier lagen auch
Bens Hemden und die neuen Seidenkrawatten, die er allerdings nur trug, wenn er
mit seiner jungen Frau in die Stadt fuhr. Sein Arbeitszeug hing in einem Kasten
im Weinkeller.
In einem anderen Schrank, der fast genauso groÃ
und genauso hoch war, hingen Charlottes Kleider. In den Fächern im linken Teil
lag ihre zarte Wäsche, die verschiedenen Handschuhe und Schals. Sina war, als
sie all die Kostbarkeiten zum ersten Mal gesehen hatte, aus dem Staunen nicht
herausgekommen.
»Ich glaube, Ben ist zurück!« Charlotte lieà die
aufwendig bestickten Paradekissen, die sie gerade in der Hand hielt, einfach zu
Boden fallen und lief zum Fenster. »Ja, er ist es!« Ihre Stimme jubilierte.
»Aber ⦠er ist nicht allein«, fügte sie überrascht hinzu.
Gestern war Ben schon vor dem Morgengrauen in die
Stadt geritten, um noch einige fehlende Werkzeugteile zu besorgen. AuÃerdem
hatte er Charlotte versprochen, in einem Tuchladen ein paar bestellte Dinge
abzuholen. Er kam früh zurück! Ob etwas geschehen war?
Auch Sina schaute kurz aus dem Fenster. »Ein
Schwarzer ist bei Ben«, murmelte sie und musterte mit Charlotte zusammen den
hochgewachsenen Mann, der eben von einem viel zu dürren Pferd stieg.
»Kennst du ihn?« Charlotte beugte sich leicht
nach vorn, um besser hinüber in den weitläufigen Hof sehen zu können. An der
östlichen Seite lag der neu errichtete Weinkeller; in einem offenen Schuppen,
der an dessen Nordseite angebaut war, stand die groÃe Traubenpresse, die von
vier Männern bedient werden musste.
»Komm, wir gehen hinunter und schauen, wer da
gekommen ist.« Charlotte lachte leise. »Ich bin neugierig.« Und als Sina
zögerte, nahm sie sie bei der Hand und zog sie mit sich. »Komm schon, die beiden
brauchen auch sicher eine Erfrischung.«
Sina lieà sich mitziehen und stand wenig später
vor Ben und einem Mann, der etwas älter zu sein schien als Ben. Er überragte den
Winzer fast um Haupteslänge.
Ben nahm zärtlich die Hand seiner Frau. »Liebe
Charlotte, ich darf dir Thabo Barkley vorstellen. Ich habe ihn eingestellt.«
»Angenehm, Mister Barkley.« Charlotte nickte dem
Mann, dessen Hautfarbe einen hellen Mokkaton hatte, kurz zu.
»Ich freue mich, dass ich hier auf dem Gut
arbeiten kann«, sagte er in gutem Englisch. Dann sah er kurz zu Sina hin, die
ihn stirnrunzelnd musterte, so, als würde etwas an ihm sie beunruhigen.
»Woher kommt Ihr?«, wollte
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