Im Herzen der Feuersonne
das Beste draus.«
Ben Ruhland brauchte eine Weile, bis er sich
wieder so weit gefasst hatte, dass er das Dokument in die Innentasche seines
Jacketts stecken und zur Festgesellschaft zurückgehen konnte.
»Da bist du ja! Ich hab dich schon gesucht!«
Charlotte zog ihn mit sich. »Lass uns noch einmal kurz in den Garten gehen. Ich
bin ein wenig erhitzt und brauche frische Luft.«
DrauÃen im Garten zog sie ihn zum Rosenpavillon.
»Lass uns ein Weilchen hier allein bleiben«, meinte sie und schmiegte sich an
ihn.
Ben sah ihr tief in die Augen, dann presste er
seine Lippen auf ihre und küsste sie. Als sie sich voneinander gelöst hatten,
fragte er: »Bist du glücklich, Charlotte?«
Sie lachte. »Siehst du das denn nicht?« Sie
drückte seine Hand, wandte sich um und roch an einer der süà duftenden Rosen.
»Und noch glücklicher werde ich sein, wenn ich dir erst ganz gehöre«, gestand
sie fast unhörbar.
Mit zwei Schritten war er bei ihr und nahm ihre
Hände, zog sie fest an die Brust. »Ich â¦Â« Seine Stimme klang rau vor Erregung.
»Ich kann es kaum noch erwarten.«
Charlotte küsste ihn zärtlich. »Noch drei Monate,
mein Liebster. Dann bin ich ganz die Deine.«
»So lange kann ich nicht mehr warten. Heute Nacht
â¦Â« Er brach ab, als Charlotte den Kopf schüttelte.
»Es geht nicht. Und das weiÃt du.« Sie
streichelte seine Wange, die bereits wieder einen leichten dunklen Schimmer
bekommen hatte. »Ich sehne mich ja auch nach dir, aber es schickt sich
nicht.«
»Ach was!« Sein Temperament lieà sich nicht
länger zügeln. »Was sich alles nicht schickt, das kümmert mich nicht. Charlotte,
ich bin ein Mann! Ich habe Sehnsucht nach dir! Morgen hole ich dich zu einer
Spazierfahrt ab, und dann â¦Â« Seine Hand stahl sich in ihr Dekolleté.
Vorsichtig sah sich Charlotte um, voller Angst,
dass man sie entdecken könnte.
»Komm jetzt, wir gehen zur Gesellschaft zurück.«
Er lachte leise und ergriff ihre Hand. »Ich verspreche, ich werde mich benehmen
wie ein Gentleman.«
***
Â
Weinberge, so weit das Auge reichte! Grünes
Laub schützte die noch nicht reifen Trauben. Wie mit einer Schnur gezogen,
erstreckten sich die einzelnen Rebstockreihen über das Land. Auch heute, an
Weihnachten, sah man einige der schwarzen Arbeiter in den Weinbergen.
»Haben die Sklaven hier nicht frei?«, fragte
Charlotte de Havelbeer und lehnte sich in dem leichten Zweispänner zurück. »Wir
haben ihnen allen freigegeben â bis auf den Frauen im Haus natürlich.«
Ben lachte, es klang ein wenig spöttisch. »Die
Frauen müssen euch natürlich bedienen!« Er schüttelte den Kopf. »Liebes, du
mokierst dich über die Männer, die die Reben sichten, und bei dir daheim sind
drei oder vier Sklavinnen da, um für euch die kleinste Handreichung zu
erledigen. Aber auch die haben Weihnachten!«
»Sie sind fast alle nicht getauft«, wandte
Charlotte ein, dann sagte sie trotzig: »Ich bin nun einmal so aufgewachsen.«
»Ich nicht.« Er zögerte, dann fügte er leise
hinzu: »Gleich am ersten Tag, als ich eben angekommen war, hab ich Sina und
ihren Sohn gekauft â und ihnen so wohl das Leben gerettet. Aber sie sind nicht
mein Eigentum. Kein Mensch gehört einem anderen. Und deshalb hab ich ihr schon
vor vielen Monaten gesagt, dass sie frei ist. Aber sie bleibt. Und sie ist eine
unentbehrliche Arbeiterin. Sie kümmert sich um alles, auch darum, dass die Neuen
fleiÃig sind.« Er legte Charlotte den Arm um die Schultern. »Aber davon sollten
wir heute nicht reden.« Er hauchte ihr einen Kuss auf die Schulter. Das leichte
Kleid, das Charlotte heute trug, war aus hellrotem Musselin mit einem tiefen
Brokateinsatz im Vorderteil. Ein breiter Spitzenkragen stand im Nacken halbhoch
und kitzelte hin und wieder eine von Charlottes hellen Locken.
In ihr Haar war ein ebenfalls hellrotes Band
eingeflochten, und auch die kleinen, kunstvoll gearbeiteten Blüten am Rocksaum
waren innen hellrot, am Rand aus weiÃer Spitze.
Es war heiÃ, und Charlotte lieà den hellen Schal,
den sie um die Schultern geschlungen hatte, heruntergleiten. Der leichte
Sonnenschirm aus Brüsseler Spitze bot auch kaum Schutz gegen das helle
Sonnenlicht an diesem ersten Weihnachtstag des Jahres 1797 . Keine Wolke stand am Himmel, es war völlig
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