Im Herzen der Feuersonne
einziger
Sohn litt. Zur Ablenkung war er stundenlang durch die Weinberge gestiegen, hatte
die neuen Pflanzen, die sich noch im Wind bogen, kontrolliert und den
Zuckergehalt der reifen Trauben am Südhang geprüft. Aber alles war halbherzig
geschehen, mit seinen Gedanken war er immer im Zimmer seines kranken Kindes
gewesen.
Als er am frühen Nachmittag dieses Tages in
Kapstadt ankam, schaute er kurz bei seinem Schwiegervater vorbei und wollte ihm
mitteilen, dass es Karl etwas besserging. Doch Willem war zu einem Gespräch beim
Gouverneur, wann er heimkehrte, konnte niemand sagen. Auch Tante Helene war
nicht daheim, und so richtete Ben seine Botschaft nur dem Butler aus.
Dann machte der Winzer sich auf schnellstem Weg
auf in Richtung Hafengebiet. Er wollte zunächst zum Fassmacher, dann zu Hanne
Schneeberger.
»Ich zahle dir zwei Dutzend Fässer im Voraus,
John«, versprach er. »Aber ich brauche neue, saubere Fässer. Mit den wenigen,
die ich noch habe, komme ich in diesem Jahr nicht aus.«
»Die verdammten Franzosen blockieren nicht nur
den Nachschub an fertigen Fässern«, schimpfte John. » Damned , ich weià kaum noch, wo ich das Holz herbekommen soll, um
richtig zu arbeiten.« Er machte eine kleine Pause, dann presste er zwischen den
Zähnen hervor: »Sogar meine Landsleute machen uns hier das Leben schwer.«
»Es gibt hier doch so viele Eichen«, warf Ben
ein. »Drüben, in Stellenbosch , haben einige kleinere
Winzer eine richtige Allee, die zu ihrem Besitz führt.«
»Du glaubst doch nicht, dass die mir ihr Holz
geben«, warf John ein und sah Ben seufzend an.
»Und ich selbst hab keinen Wald«, sagte Ben
nachdenklich. »Bloà Krüppelkiefern, Mimosenbäume und Obstbäume. Und Ãpfel und
Birnen können wir demnächst ernten, das schon. Aber guten, hohen Baumbestand
besitze ich nicht. Und die knorrigen Eichen am Westhang wirst du nicht brauchen
können.«
John legte ihm seine riesige Pranke auf die
Schulter. »Ich will sehen, was ich für dich tun kann. Schon weil du ein Freund
von Hanne bist. WeiÃt du eigentlich, wie schlecht es ihr geht? Der Arzt hat kaum
noch Hoffnung.«
Ben erschrak. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie
so elend ist. Ich war eine Weile nicht in der Stadt. Die Weinlese ist in vollem
Gang.«
»Die Suppen-Hanne hat Scharlach.«
»Das ⦠das ist ja entsetzlich! Mein Sohn ist auch
erkrankt. Wir haben tagelang um sein Leben bangen müssen.« Ben fühlte, wie ihm
das Entsetzen eisige Schauer über den Rücken jagte. »Ich ⦠ich muss los.«
»Sei vorsichtig«, mahnte der Fassmacher. »Steck
dich bloà nicht an!«
Ben lenkte die beiden schlanken Braunen durch
die engen Gassen. Die zwei alten Pferde, die er vor Jahren von Tom, dem Iren,
gekauft hatte, waren nicht mehr; erst vor zwei Monaten hatte er dem letzten
Gaul, der treuen Amy, den Gnadenschuss gegeben. Die beiden Braunen waren noch
junge Tiere, aber sie gingen gut im Gespann.
Die StraÃen lagen, wie immer, voller Unrat, hin
und wieder huschte eine Ratte vorbei, wilde Hunde verteidigten ihre Beute gegen
streunende Katzen. Ãber allem hing das Gekreisch der Möwen, die bei den
Fischerbooten auf Futter hofften.
Drei kleine verdreckte Sklavenjungen zogen
mühevoll einen Handwagen hinter sich her. Darauf lagen Körbe voller Fisch. Es
stank durchdringend nach Tang und nach Fäulnis, und Ben fragte sich, wer dieses
verdorbene Zeug wohl noch essen wollte.
In Hannes Kneipe war alles ruhig. Durch die
Fenster war kein einziger Gast zu sehen, und Ben musste am Hintereingang
mehrmals laut gegen die alte Holztür hämmern, ehe ihm aufgemacht wurde. Eine in
Schwarz gekleidete Frau, deren Gesichtsfarbe ganz grau war, öffnete ihm. Hinter
ihr erschien die Schankmagd mit verweinten Augen.
»Hanne ⦠Was ist mit Hanne?« Eine böse Ahnung
beschlich den Winzer.
»Sie ist tot.« Die ältere Frau sagte es ziemlich
unbeteiligt. In dieser Gegend wurden die Menschen meist nicht sehr alt. Armut
und Entbehrung forderten ihren Tribut.
»Das Fieber â¦Â«, fügte die Schankmagd weinend
hinzu. »Sie liegt noch oben in ihrem Bett. Sie ist erst vor einer halben Stunde
â¦Â« Aufschluchzend brach sie ab.
Die graugesichtige Alte zuckte mit den Schultern.
»Sie war noch geschwächt von der letzten Lungenentzündung. Davon hatte sie sich
noch nicht erholt. Aber sie wollte ja
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