Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
geschmückt. Ihre schlanken Körper mit den bloßen Brüsten bewegten sich mit lässiger Selbstverständlichkeit. Sie wirkten so … natürlich. Ganz anders als Isabel und ihre Begleiter in ihren weißen Kleidern und Anzügen.
»Ah, drei Damen aus Samoa«, bemerkte Herr von Kosse, während er flüchtig seinen Strohhut lüftete. »Sie wissen sicher, Fräulein Maritz, dass Samoa Verbindungen zu Deutschland hat?«
Isabel nickte. Seit dem vergangenen Jahr wurde das Königreich Samoa gemeinsam von Deutschland, den USA und Großbritannien verwaltet. Außerdem war Samoa fast jedem Deutschen durch das Hamburger Handelshaus Godeffroy, das seit Jahrzehnten den Südseemarkt beherrschte, ein Begriff.
»An diesen Anblick müssen Sie sich auch gewöhnen«, raunte Henriette ihr zu, die wirkte, als könne keine Hitze dieser Welt ihr etwas anhaben. Kein einziger Schweißtropfen verunstaltete ihren makellosen Teint. Sie verzog voller Verachtung den hübschen Mund. »Diese Frauen haben weder Anstand noch Moral. In dieser Aufmachung hier herumzustolzieren – einfach schamlos!«
Die beiden Herren schienen diese Meinung nicht ganz zu teilen – jedenfalls bemerkte Isabel, dass Herr von Kosse recht unverhohlen und Herr von Faber zumindest flüchtig große Augen machte.
Als die Frauen vorüber waren, schien sich von Kosse wieder auf Isabel zu besinnen. »Kennen Sie denn schon unsere Speiseanstalt?«
»Ja«, erwiderte sie etwas einsilbig. »Herr von Faber hat mir bereits davon erzählt.«
Sie versuchte, sich mit der Hand unauffällig Luft zuzufächeln. Eine Dame schwitzt nicht, war ihr von ihrer Mutter eingebläut worden. Aber ihre Mutter war noch nie in den Tropen gewesen. Nach dem gestrigen Regen war der Himmel noch immer bedeckt, und obwohl es noch lange nicht Mittag war, lag eine erdrückende Schwüle über dem Ort, während sie langsam an den einfachen Häusern im Kolonialstil mit ihren tiefgezogenen Wellblechdächern vorbeiflanierten. Normalerweise wäre jetzt Gottesdienstzeit. Aber Finschhafen hatte noch keine eigene Kirche; das einzige Gotteshaus stand in der Missionsstation von Simbang.
»Sie müssen unbedingt einmal in der Speiseanstalt vorbeikommen«, fuhr von Kosse fort und strich sich über seinen blonden Schnauzer. »Hat der gute von Faber Ihnen auch erzählt, dass wir dort einen Trinkclub gegründet haben? Wir haben ihn ›Zum blutigen Knochen‹ getauft.«
»Wie originell«, gelang es Isabel einzuwerfen.
»Nicht wahr? Kommt von der Flagge der Neuguinea-Kompagnie. Haben Sie sich das rätselhafte Wappentier darauf schon einmal näher angesehen? Angeblich soll es ja einen schwarzen Löwen mit einer roten Fackel darstellen, aber für die meisten sieht es aus wie ein Hund, der einen blutigen Knochen trägt. Daher auch der Name des Clubs, der natürlich nur Angehörigen der ersten Klasse offensteht.«
»Sie haben verschiedene Klassen in der Speiseanstalt?«
»So ist es, das muss alles seine deutsche Ordnung haben. Unser Club ist sehr beliebt. Dort sitzt die Elite der hiesigen Kolonialbeamten, trinkt sauren Wein und spielt Karten. Was soll man hier auch anderes machen? Für drei Jahre sind die meisten hier verpflichtet, und es gibt kaum weiße Frauen. Sie beide«, sagte er mit einer leichten Verbeugung in Isabels und Henriettes Richtung, »bilden da eine löbliche Ausnahme. Und irgendwie muss man die Zeit ja –«
»O mein Gott!« Isabel schreckte zurück, als sie mitten im Schlamm der Straße einen großen roten Fleck sah, und griff hilfesuchend nach dem nächstbesten Arm. Er gehörte Herrn von Faber. »Ist das etwa Blut?«
»Keine Sorge, Fräulein Maritz«, beruhigte dieser sie. »Das ist nur der Saft der Betelnuss. Die Einheimischen kauen sie und spucken sie oft auf höchst widerwärtige Weise auf den Weg.«
Sie atmete erleichtert auf. Durch den Ärmel seines Tropenanzugs hindurch spürte sie die feuchte Wärme seiner Haut und löste ihre Hand wieder von ihm.
»Schauen Sie«, sagte er und blieb vor einem schlichten hölzernen Gebäude stehen, an dem ein Schild mit dem Reichsadler und der Aufschrift »Kaiserlich Deutsche Postagentur« prangte. »Finschhafen hat zwar noch nicht viel vorzuweisen, aber immerhin haben wir eine Poststation. An diesem Stationsgebäude wurde der erste Briefkasten von Kaiser-Wilhelms-Land aufgestellt. Und seit drei Jahren sind wir dem Weltpostverein angegliedert.«
Isabel erinnerte sich. Von hier aus hatte auch Conrad seine Briefe an sie versandt.
»Das dort«, fuhr von Faber fort und
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