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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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deutete mit dem Kopf zu einer Gruppe asiatisch aussehender Arbeiter, die im Schatten einiger Palmen offenbar ihren freien Tag verbrachten und von denen jeder einen langen schwarzen Zopf trug, »sind übrigens Kulis, Fräulein Maritz. Chinesische Tagelöhner.«
    »Die einheimischen Kanaker sind nämlich nur schwer zum Arbeiten zu bewegen«, mischte sich Herr von Kosse erneut ein. Isabel sah, wie Berthold von Faber die Augen verdrehte. »Und so hat die deutsche Reichsregierung in ihrer unerschöpflichen Weisheit entschieden, Arbeiter aus China zu importieren und auf den Feldern arbeiten zu lassen. Das Problem ist nur: Sie sterben so schnell. Diese chinesischen Kulis sind von einer geradezu hysterischen Feinfühligkeit. Die kleinste Kleinigkeit, die geringste Provokation verschnupft sie, und schon bringen sie sich um.«
    »Wie bitte? Sie scherzen, Herr von Kosse.«
    »Aber mitnichten. So ein Chinese legt nicht viel Wert auf sein Leben. Wenn ihm das Essen nicht schmeckt, hängt er sich auf. Wenn ihm das Opium entzogen wird, stößt er sich ein Messer in den Leib. Wenn es regnet, bringt er sich um.«
    »Aber das ist ja fürchterlich!«
    Berthold von Faber zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich über das Gesicht. »Nehmen Sie den jungen Mann nicht zu ernst, Fräulein Maritz. Sicher gab es hier und da ein bedauerliches Ereignis, aber das waren Einzelfälle.«
    Isabel schenkte ihm ein zerstreutes Lächeln. Allmählich wurde ihr das alles zu viel, und sie wünschte sich sehnlichst, jetzt alleine zu sein.
    »Wäre es wohl möglich«, bat sie, »mir jetzt den Friedhof zu zeigen?«
    »Aber natürlich, Fräulein Maritz. Kommen Sie, hier entlang.« Herr von Faber deutete schräg nach vorne in Richtung Hafen.
    »Ach, ich muss Ihnen ja noch von meiner Käfersammlung erzählen«, nahm von Kosse seinen Redefluss wieder auf.
    »Sie sammeln Käfer?«, fragte Isabel, nur mäßig interessiert. Inzwischen ging ihr der Mann gehörig auf die Nerven. Andererseits: Wie oft hatte sie selbst sich schon gewünscht, ähnlich überzeugt von sich zu sein.
    »Nun ja, jeder sammelt hier irgendetwas, und wenn es nur Erfahrungen sind. Einfach nur, um die Tage herumzubringen. Aber hören Sie: Ich hatte ein paar Käfer gesammelt und leichtsinnigerweise viel Aufhebens darum gemacht. Irgendwann erhielt ich dann einen Landesbefehl, ich müsse meine Sammlung seltener Spezies an eine wissenschaftliche Gesellschaft abliefern. Und da man sich einem Landesbefehl nicht verweigern darf, befand ich mich in einer ziemlichen Zwickmühle. Aber dann kam mir eine Idee.« Er gluckste. »Hören Sie zu, jetzt kommt das Beste!«
    »Achtung, Fräulein Maritz«, wies Herr von Faber sie in diesem Moment auf eine weitere große Pfütze mitten im Weg hin und reichte ihr die Hand zur Stütze.
    »Von Faber, verderben Sie mir nicht die Pointe!«, rügte von Kosse mit mildem Spott. »Also: Ich ließ mir von einem Zimmermann einen Kasten mit Glasdeckel bauen und begann, eine Spezialsammlung zusammenzustellen. Na, können Sie sich denken, was ich tat?«
    »Ich ahne es …«
    »Wahrscheinlich liegen Sie richtig mit Ihrer Ahnung, Fräulein Maritz. Ich fabrizierte nämlich Käfer. Sehr nette Käfer. Ich nahm irgendein größeres Ungeheuer und klebte ihm einen blauen und einen roten Flügel auf. Dann griff ich zu einer Nadel und setzte ihm dreizehn Beine mehr ein, als die Natur für nötig befunden hatte, ihm zu geben.«
    Jetzt musste Isabel doch lachen. Die Vorstellung eines derart missgestalteten Käfers war zu komisch.
    »Moment, Moment, es geht noch weiter! Als Nächstes erfand ich Insekten, die mit dem Bauch nach oben wandelten und die ihre Fühler am Hinterteil trugen. Außerdem tauchte ich Tiere in Leim und bestreute sie mit Glassplittern, was einen ausgesprochen lieblichen Gesamteindruck hervorrief. Aber mein Kabinettstück war eine ganz neue Spielart, die – man glaubt es kaum – zwei Köpfe hatte!«
    Inzwischen waren sie an einem niedrigen Lattenzaun angekommen, den ein Tor aus Holzbalken unterbrach, und blieben stehen. Während Herr von Kosse sich von Henriette zu seinem gewagten Tun beglückwünschen ließ, blickte Isabel über das Tor. Der kleine Friedhof lag am sumpfigen Ufer des Hafens, vom Wasser nur durch Mangrovenbäume und Wurzelgewirr getrennt. Es war Ebbe, ein leichter Verwesungsgeruch lag über dem Ort.
    »Und dann«, fuhr von Kosse fort, »spießte ich sie in Reih und Glied in dem Kasten auf.«
    »Ich nehme an, die wissenschaftliche Gesellschaft war angemessen

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