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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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vorgeht? Außerdem war er betrunken – da handelt man nicht immer logisch. Wahrscheinlich ist einfach seine wahre Natur durchgebrochen. Das ist bei diesen Kanakern immer wieder der Fall – wie bei der Katze das Raubtier. Die europäische Kultur ist auch beim zivilisiertesten Wilden nur Tünche. Und nun hören Sie auf, sich Ihren hübschen Kopf über solche grässlichen Sachen zu zerbrechen.« Er steckte den Daumen seiner rechten Hand in seine Westentasche, was ihm ein weltmännisches Aussehen gab, und schob seinen Bauch vor. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Da der Getötete ein Weißer war, hat sein Mörder mit der ganzen Härte des Gesetzes zu rechnen. Sobald man den Verbrecher nach Finschhafen ins Gefängnis gebracht hat, wird Herr Rose, der Kaiserliche Kommissar von Kaiser-Wilhelms-Land, über ihn entscheiden. Nur er ist befugt, ein Todesurteil auszusprechen.«
    »Ein Todesurteil?«, wiederholte Isabel schwach. Ein Eisbrocken formte sich in ihrem Magen.
    »Natürlich. Wären wir in Deutschland, würde er enthauptet. Hier in Kaiser-Wilhelms-Land werden Verbrecher noch gehängt. – Oh, verzeihen Sie bitte vielmals, liebste Isabel, ich wollte Sie nicht erschrecken. Aber Sie können ganz unbesorgt sein. Sobald Sie es wünschen, hole ich Sie von hier fort und bringe Sie nach Finschhafen. Vielleicht sogar als meine Verlobte«, fügte er mit einem hoffnungsvollen Lächeln noch hinzu.
    Sie setzte schon zu einer ausweichenden Antwort an, als sie jemanden rufen hörte.
    » Tisa Isa, tisa Isa!« Sabiam lief über den Strand auf sie zu.
    »War der Bursche nicht einer von denen, die den Schuppen bewachen sollten?« Berthold wedelte mit seinem verbliebenen Arm. »Marsch zurück, Junge!«
    »Einen Moment«, hielt Isabel ihn zurück und wartete, bis der Junge sie erreicht hatte. »Was ist denn, Sabiam?«
    » Tisa Isa kommen.« Er wirkte verschüchtert. »Mussen helfen. Noah … sik . Viel krank.«
    »Krank?« Berthold lachte auf. »Einen durchsichtigeren Vorwand habe ich ja noch nie gehört. Der Bursche will nur versuchen zu fliehen.«
    Auch Isabel hatte Zweifel, dennoch zog sich in ihrem Innersten etwas zusammen.
    »Was fehlt ihm denn?«, fragte sie Sabiam.
    »Tit i pen« , erklärte der Junge.
    Isabel runzelte die Stirn. Pen hieß Schmerz, aber das andere? »Du musst Deutsch reden, Sabiam, ich verstehe dich sonst nicht.«
    »Tit i pen« , wiederholte der Junge langsam und klopfte auf einen seiner betelnussverfärbten Schneidezähne.
    »Er hat Zahnschmerzen?«, vergewisserte sich Isabel, halb ungläubig, halb besorgt. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit.
    Sabiam nickte.
    »Zahnschmerzen, dass ich nicht lache!« Berthold schüttelte den Kopf. »Etwas Dämlicheres ist ihm nicht eingefallen?«
    Sie zögerte. Wahrscheinlich hatte Berthold recht. Es war sehr wahrscheinlich, dass Noah versuchen wollte, auf diese Weise aus dem Schuppen zu kommen und womöglich zu flüchten. Aber diese Finte wäre so augenfällig, dass sie sie ihm eigentlich nicht zutraute.
    »Und wenn er die Wahrheit sagt?«
    »Sie glauben ihm doch nicht etwa?«
    »Wenn er wirklich Schmerzen hat, dann gebietet es die christliche Nächstenliebe, nach ihm zu sehen.«
    »Er kann warten, bis Pater Lorenz zurück ist.«
    »Wer weiß, wann das sein wird«, wandte sie ein. »Vielleicht sollte ich kurz mit ihm sprechen. Nur um mich zu vergewissern, dass es nichts Ernstes ist.«
    Berthold sah sie zärtlich an, dann lächelte er. »Sie haben ein zu weiches Herz, Isabel. Aber wenn es Sie beruhigt, dann lassen Sie uns mit ihm reden. Ich werde schon auf Sie aufpassen.«
    Er zog seinen Revolver aus dem Halfter und drückte mit einer kleinen Bewegung seines Daumens die Trommel heraus, um nachzusehen, ob sie geladen war. Offenbar hatte er inzwischen einige Übung entwickelt, die Waffe einarmig zu bedienen. Isabel hatte den Revolver – eine Remington, wie er ihr erzählt hatte – heute Morgen zum ersten Mal bei ihm gesehen; er gab ihm einen ungewohnt schneidigen Anstrich.
    »Finden Sie das nicht etwas übertrieben? Ich habe nicht vor, in den Schuppen zu gehen.«
    »Man kann nicht vorsichtig genug sein«, gab er zurück und schob die Waffe wieder ins Halfter.
    Ihre Knie waren weich, als sie mit Berthold und Sabiam über die Lichtung zum Vorratsschuppen ging, der jetzt als provisorisches Gefängnis diente. Im Schatten unter der Pfahlhütte saßen die drei anderen Kostschüler, die von Berthold abkommandiert worden waren, den Gefangenen zu bewachen. Als die beiden

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