Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
Tatsächlich, sie hatte das Messer in der Hand! Es fühlte sich ein wenig beängstigend an. Und gleichzeitig sehr befriedigend.
Noah richtete sich auf. »Geben Sie mir das Messer, Isabel! Sie verletzen sich noch damit.«
»Sie werden das Baumkänguru nicht töten!«
»Also gut, wenn Sie darauf bestehen. Aber beschweren Sie sich nachher nicht, dass Sie Hunger haben.«
»Ich glaube Ihnen nicht!«
»Geben Sie mir das Messer zurück.«
»Nein!«
Sie hatte keine Ahnung, wie er es angestellt hatte, aber plötzlich lag sie rücklings im Gras. Noah saß auf ihr, drückte ihr rechtes Handgelenk zu Boden und versuchte, ihr das Messer aus der Hand zu winden.
Die Wut gab ihr Kraft. Die Wut und die Angst um dieses hilflose Wesen. Sie schlug mit der Linken auf ihn ein. Er fing ihre Hand auf. Er war zu stark für sie, sie konnte die Waffe nicht länger festhalten. Aber sie würde es ihm nicht leichtmachen! Mit einer ruckartigen Bewegung ihrer Hand gelang es ihr, das Messer ein Stück über den moosigen Boden zu stoßen, fort von ihm. Wenn er es holen wollte, musste er sie loslassen.
Aber er ließ sie nicht los.
Er saß rittlings auf ihr, hatte sich nach vorne gebeugt und presste ihre Handgelenke auf den Boden. Ihr Herz schlug so schnell, dass ihr ganzer Körper vibrierte, und für einen winzigen Moment huschte der absurde Wunsch durch ihren Kopf, er möge … Ja, was denn?
Er lockerte den Griff um ihre Handgelenke und fuhr mit gespreizten Fingern zwischen ihre, während er sie weiterhin zu Boden drückte. Fest, aber nicht grob. Ihr Widerstand erlahmte, ihre Finger schlossen sich um seine. Sie wollte etwas sagen, doch kein Wort kam aus ihrer Kehle.
Er beugte sich noch weiter vor. Ganz nah war sein Gesicht mit diesen irritierend blauen Augen jetzt über ihr. Dann berührten seine Lippen die ihren.
Isabel wehrte sich nicht. Mehr noch, sie schloss die Augen und hob sich ihm entgegen. Als sie seine Zungenspitze spürte, öffnete sich ihr Mund fast ohne ihr Zutun. Sanft, warm und feucht glitt seine Zunge ein kleines Stück zwischen ihre Lippen, spielte mit ihren Zähnen.
Sie keuchte vor Entzücken auf. Es war so … wundervoll! Die Angst und die Wut, die sie eben noch empfunden hatte, lösten sich auf in pures Wohlgefallen, sie glaubte zu schweben. In ihrem Unterleib saß ein heftiges Flattern, die geheime Stelle zwischen ihren Beinen pulsierte. Ihre Finger zuckten in seinen. Sie wollte ihn umarmen, ihn festhalten, umschlingen, doch er ließ ihre Hände nicht los. Sie spürte etwas Hartes gegen ihren Bauch drücken. Trotz des feuchten Mooses, das ihr die Kleider an Rücken und Beinen durchnässte, war ihr unglaublich warm; eine Hitze, die von innen kam.
Großer Gott, was tat sie da? So benahm sich doch keine anständige junge Dame! Sie drehte den Kopf und versuchte, sich unter ihm hervorzuwinden. Noah ließ sie los, als wäre sie eine giftige Schlange, setzte sich ruckartig auf und erhob sich hastig.
»Ich … Das …« Er räusperte sich, rang sichtbar nach Fassung, begann erneut. »Da oben sind schon die ersten Wolken, es wird bald regnen. Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen.«
Auch Isabel war aufgestanden, ihre Beine zitterten. Das Baumkänguru war verschwunden. Mehr um Noah nicht in die Augen zu schauen denn aus Notwendigkeit zupfte sie ein paar Grashalme von ihrem dunkelblauen Rock. Ihr Gesicht glühte, ihr Mund schmeckte noch nach seinem Kuss. Was musste er jetzt bloß von ihr denken?
»Ja«, sagte sie mit belegter Stimme. »Das sollten wir.«
11.
Kein Lüftchen wehte, die Luft war zum Schneiden, und selbst die allgegenwärtigen Stechmücken zeigten sich kaum. Noah kam sich vor, als würde er durch eine dicke Soße laufen; er hatte das inzwischen recht zerschlissene Leinenhemd wieder ausgezogen, und auch seine Hose hatte bereits bessere Tage gesehen. Isabels Bluse war ebenfalls schon wieder verdreckt und an vielen Stellen zerrissen. Er bemühte sich, nicht allzu häufig darauf zu starren, denn durch einen klaffenden Riss im Stoff konnte er mehr von der zarten Rundung ihrer Brust sehen, als ihr offenbar bewusst war. Ihr dunkelblauer Rock, den sie heute Morgen mit dem Buschmesser gekürzt hatte, endete jetzt ebenso wie ihr Unterrock eine gute Handbreit unter dem Knie, die Säume waren ausgefranst, der dunkle Stoff voller Risse.
Sie folgten dem Wasserlauf, auf den sie vorgestern gestoßen waren und der sich inzwischen zu einem Fluss verbreitert hatte. Anfangs waren sie noch dicht am Ufer entlanggelaufen,
Weitere Kostenlose Bücher