Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
erhielt keine Antwort. Und die Männer waren ohnehin zu weit weg. »Isabel!«, brüllte er schließlich.
    »Hier!«, kam die Antwort von irgendwo aus dem Gebüsch weiter vorn. »Sieh nur!«
    Sie klang zwar eher erfreut als ängstlich, dennoch hatte er es eilig, zu ihr zu kommen. Sie stand in einem gerodeten Stück Wald, den ein niedriger Bambuszaun umgab und in dem regelmäßige Reihen von Gemüsepflanzen angelegt waren. Daneben wuchsen Palmen und Obstbäume.
    »Schau!« Isabels Gesicht leuchtete vor Freude, in ihrer Hand hielt sie eine angebissene grüne Mango mit leuchtend gelbem Fruchtfleisch. »Ist das nicht wunderbar? Hier gibt es Mangos! Und Bananen! Und Yams und Süßkartoffeln! Hier ist ein ganzer Garten voller Früchte und Gemüse!«
    Ein Bild, das er einmal in einer Bibel gesehen hatte, kam ihm in den Sinn: wie Eva im Paradies. So fröhlich hatte er sie schon lange nicht mehr gesehen. Ihre Augen lachten, klebriger Saft lief ihr über das Kinn. Nie war sie ihm so schön vorgekommen, trotz der verschwitzten Haare und der zerrissenen Bluse.
    »Ob es unrecht ist, wenn wir uns hier bedienen?«, fragte sie.
    Er ignorierte die warnende Stimme in seinem Inneren und schüttelte den Kopf. Wer immer diesen Garten angelegt hatte, wäre zwar kaum erfreut über ihr Eindringen, aber sie würden sich schon nicht erwischen lassen.
    Isabel lächelte ihn an. »Wir können den Gartenbesitzern als Gegenleistung ja die restliche Handschelle überlassen.«
    Er lächelte zurück. Langsam ließ sie die Frucht sinken und trat einen Schritt auf ihn zu. Und noch einen. Als er sich zu ihr beugen wollte, ging ihr Blick an ihm vorbei und wurde starr, alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Er fuhr herum.
    Vor ihnen stand eine Gruppe von Eingeborenen. Mächtige Ringe aus Eberhauern zierten ihre Nasen, und drei von ihnen hatten ihre mannshohen Bogen gespannt und Pfeile auf sie gerichtet.
    *
    Das Entsetzen schien jegliches Mark aus Isabels Knochen gesogen zu haben. Sie glaubte keinen Finger rühren zu können, konnte nur wie gelähmt auf dieses Schreckensbild starren. Die Männer waren von dunkler Hautfarbe, bis auf ein kurzes Lendentuch nackt und mit Ketten aus Schnecken und Muschelschalen geschmückt, und einer von ihnen trug an einem Halsband eine winzige, schwarz geräucherte Hand. Die Hand eines Säuglings. Für einen Augenblick glaubte sie, ohnmächtig zu werden.
    »Isabel!«, vernahm sie Noahs leise, drängende Stimme.
    »Was?« Endlich konnte sie ihren Blick von der winzigen Hand losreißen.
    Noah hatte das Buschmesser fallen gelassen und öffnete nun langsam die Hände in einer Geste des Friedens. Isabel tat es ihm zitternd nach. Am liebsten wäre sie fortgelaufen, aber sie ahnte, dass sie das nicht überlebt hätte.
    Der Papua mit der Säuglingshand um den Hals kam auf sie zu. Er herrschte Noah in einer Isabel unbekannten Sprache an, und dieser sank auf die Knie.
    »Du auch!«, flüsterte er Isabel zu. »Mach schon!«
    Sie gehorchte, bebend vor Angst.
    Langsam ließen die Männer ihre Bögen sinken.
    »O Gott, Noah, das sind … das sind Kannibalen!« Isabel war schlecht vor Furcht. »Du hast doch gesagt, es gebe hier keine Menschenfresser!«
    »Ich habe gesagt, keiner der Stämme, die ich kenne, hat je Menschenfleisch gegessen«, gab Noah leise zurück. »Aber diesen Stamm kenne ich nicht.«
    Der Größte von ihnen nahm das Buschmesser mit der langen Klinge auf, das Noah ins Gras hatte fallen lassen, und fuhr mit dem Finger an der Schneide entlang. Erstaunt hob er den Kopf, als Blut aus seiner Fingerspitze quoll, und sagte etwas zu seinen Kameraden. Offenbar hatten sie noch nie ein Messer aus Metall gesehen. Grunzendes Lachen und ein paar kehlige Worte ertönten.
    »Ich verstehe ein bisschen von dem, was sie sagen«, murmelte Noah. »Es hört sich an wie ein weit entfernter Dialekt des Kâte.«
    Er sagte ein paar Worte in einer gutturalen Sprache. Sofort sprang der Mann vor und hieb in einer einzigen fließenden Bewegung mit dem Buschmesser nach ihm. Isabel schrie auf. Er hätte Noah vermutlich die Kehle aufgeschlitzt, hätte dieser sich nicht geistesgegenwärtig geduckt.
    Die nächsten Minuten glitten an Isabel vorbei, als wäre sie gar nicht richtig wach. Wie betäubt ließ sie es über sich ergehen, dass man ihr eine Schlinge aus Pflanzenfaser um den Hals legte und die Hände im Nacken daran band, so dass sie Gefahr lief, sich selbst zu erdrosseln, sobald sie sich dagegen wehrte. Mit Noah verfuhr man genauso und nahm ihm auch noch

Weitere Kostenlose Bücher