Im Herzen der Wildnis - Roman
legte seinen Arm fester um sie, während er mit ihr durch den Saal tanzte. »Nein. Ich meine, ich liebe sie. Aber es ist nicht die große Liebe.«
»Tess?«, fragte sie nach.
»Eine Affäre in New York.«
»Shannon?«
Er grinste. »Tolle Frau. Mit ihr war ich mal verlobt.«
Themenwechsel, aber schnell! »Also: Die große Liebe?«
»Ich habe sie gesehen, als ich letztes Jahr nach San Francisco gekommen bin. Du weißt schon, bevor wir beide nach New York gefahren sind. Kennst du die Zypresse bei Monterey?«
»Mein Boot ist nach ihr benannt.«
»Ach ja, hab ich vergessen. Ich habe dort gemalt.«
Shannon starrte ihn an. »Du hast …«
Sie erinnerte sich an den innigen Kuss, der sie an jenem Nachmittag geweckt hatte. Jay und sie hatten in der Pebble Beach geankert und sich an Deck leidenschaftlich geliebt.
»… gemalt. Ich male in Aquarell. Habe ich dir noch nie Bilder von mir gezeigt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Im Herbst mache ich eine Ausstellung in New York. Eine Galerie in der Fifth Avenue. Vielleicht verkaufe ich einige Bilder.« Er grinste. »Bevor du fragst: Die Galerie gehört mir nicht und auch keinem Freund von mir. Ich will das ganz allein schaffen. Ohne Dads Einfluss in New York, ohne den Namen Burnette, ohne die Millionen.«
»Na, herzlichen Glückwunsch. Was malst du?«
»Stimmungen, Bewegungen, Gefühle«, erwiderte Lance. »Die Gold Coast mit dem aufgepeitschen Atlantik unter einem sturmdurchtosten Himmel. Ein Sonnenaufgang am Bryce Canyon, wenn die Felsen im ersten Licht erglühen. Oder geheimnisvoll wabernde Nebelschwaden im Grand Canyon.«
»Das sind sehr anspruchsvolle Motive, Lance.«
»Danke.«
»Und sehr gefühlvolle.«
Er nickte.
»Ich möchte Skip dazu bewegen, zu malen.«
»Um seine Gefühle auszudrücken? Gute Idee.«
»Findest du? Evander hat ihm aus Paris Farben und Pinsel mitgebracht. Aber bisher hat Skip sich noch nicht an eine weiße Leinwand herangetraut. Er sucht noch nach einem Motiv, sagt er. Ich glaube, er hat Angst vor der leeren Leinwand. Er kann sich seinen Gefühlen und den düsteren Farben, die sie haben könnten, nicht stellen.«
»Soll ich ihn mal besuchen? Mit ihm darüber reden?«
»Würdest du das tun?«, fragte Shannon voller Dankbarkeit.
»Ja, sicher. Ich mag Skip sehr gern. Es tut mir leid, dass es ihm so schlecht geht.«
»Welches ist dein schönstes Bild?«
»Die große Liebe, von der ich eben gesprochen habe. Die Lone Cypress. Warst du schon einmal dort?«
»Im letzten Frühling.«
»Ich auch. Im Februar. Das Wetter war schon warm und sonnig. In der Bucht lag ein Boot vor Anker. Während des Nachmittags haben sich die beiden … na ja …«
»Mach’s nicht so spannend! Ich bin nicht mehr sechzehn. Ich habe einen Mann und einen kleinen Sohn.«
»… sie haben sich an Deck geliebt. Kannst du dir das vorstellen, Shannon? An diesem romantischen Ort auf dem Deck eines Bootes zu liegen und einen Mann zu lieben?«
Oh ja, Lance, dachte sie, das kann ich mir vorstellen! Ich erinnere mich sogar sehr oft daran! Lance war der Maler auf den Klippen gewesen? Er hat Jay und mich beobachtet?
»Unglaublich!«, stieß sie hervor.
»Ja, nicht wahr? So eine große Liebe!«
Sie hob die Augenbrauen. »Wie kommst du darauf?«
»Ich habe es gespürt, Shannon. Die beiden haben sich sehr geliebt. Ich war so ergriffen, dass ich sie gemalt habe.«
Ihre Überraschung musste sie nicht heucheln. Ihr »Oh!« klang beinahe wie ein entsetztes Stöhnen.
»Das scheint dich ja wirklich zu faszinieren! Willst du das Bild sehen? Es ist sehr romantisch! Die einsame Zypresse, die schroffen Felsen im aufgewühlten Pazifik, das Segelboot und die beiden Liebenden. Es schien, als wären sie unzertrennlich.«
»Ja, das würde ich mir wirklich sehr gern ansehen.«
Deshalb waren Jay und ich auf die Klippen geklettert, dachte sie. Wir wollten uns das Bild ansehen. Es wäre eine Erinnerung an ein traumhaft schönes Wochenende.
»Jetzt gleich?«
»Warum nicht? Du hast mich neugierig gemacht. Es klingt, als wäre das Bild ganz wundervoll. Vielleicht kaufe ich es …«
Galant bot Lance ihr seinen Arm und führte sie zwischen den Tänzern hindurch zur Treppe nach oben. »Aber nur, wenn es dir gefällt, Shannon. Und nicht, um mir einen Gefallen zu tun. Es hängt in unserem Schlafzimmer.«
Lance folgte ihr die Treppe hinauf, dann ging er voran, um ihr die Tür zum Schlafzimmer zu öffnen. In der Tür blieb er abrupt stehen, die Hand noch an der Türklinke. Über
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