Im Herzen der Wildnis - Roman
Aber ich werde dich ganz furchtbar vermissen, mein Freund.
»Ich muss los«, sagte Jake schließlich. Er hatte seine Gefühle nicht länger im Griff.
Josh auch nicht. »Ja.«
Sie umarmten sich noch einmal. Dann drehte Jake sich abrupt um und ging mit gesenktem Kopf zur Reling, um über die Strickleiter hinunter in das Kanu zu steigen, mit dem er Josh zur Fortune gepaddelt hatte. Er sah ihm nach, bis Jake das Eis erreichte, wo sein Schlittengespann auf ihn wartete.
Wann würden Jake und er sich wiedersehen?
27
»Sissy, du bist ein bisschen betrunken«, flüsterte Rob während des engen Tanzes im Ballsaal von Brandon Hall. Er küsste sie verstohlen unter dem Schleier. Ihr Hochzeitskleid, französische Spitze mit feinster Perlenstickerei, würde morgen ganz sicher auf der Titelseite des Examiner zu sehen sein. Sissys und Lance’ Hochzeit, die in San Francisco und New York gefeiert wurde, war das Medienereignis des Jahres 1901.
»Wenn ich dich zitieren darf, Rob: zu viele Gefühle, zu viele Gedanken, zu viel Champagner. Küss mich nochmal.«
»Nein.«
»Bitte, Rob.«
»Lance und Shannon tanzen miteinander. Siehst du? Da drüben? Dein Mann winkt dir zu. Vielleicht solltest du lieber mit ihm tanzen?« Während des langsamen Tanzes lehnte Sissy ihre Stirn gegen seine Schulter. Ihre Nähe, ihre Wärme, ihr Duft – er war erregt. »Soll ich dich zu deinem Mann bringen?«
Sie legte ihre Arme um ihn und hielt ihn fest. Hatte sie seine Erregung gespürt?
»Sissy, bitte hör auf damit! Shannon sieht zu uns herüber. Und ungefähr siebenhundert Gäste.«
»Es sollte der glücklichste Tag in meinem Leben sein.«
»Weinst du?« Rob versuchte, ihr ins Gesicht zu sehen, aber der Schleier verdeckte es. »Sissy?«
Sie schüttelte den Kopf und fuhr sich über die Wangen. Ihre Tränen netzten seinen Frack.
Er strich ihr sanft über die Schultern, während sie eng tanzten. »Lance ist ein wundervoller Ehemann.«
»Er ist nicht du, Traummann.« Sie seufzte, und es klang fast wie ein Schluchzen. »Ich habe neben dir vor dem Altar gestanden, Rob. Nur auf der falschen Seite.«
»Er liebt dich. Seine Rede in der Kirche war sehr schön.«
Nach der Trauung und dem Tausch der Ringe hatte Lance sich vor der versammelten Hochzeitsgesellschaft zu seiner Liebe zu Sissy bekannt. Lance hatte eine Rede gehalten, die seine Mom und seinen Dad, aber auch Charlton zu Tränen gerührt hatte. Dabei hatte er mit Sissy Händchen gehalten. Rob, wieder neben seiner Frau und seinem Freund in der ersten Reihe, hatte beobachtet, dass auch Shannons Augen gefunkelt hatten. War sie ergriffen gewesen von Lance’ Bekenntnis zu Sissy? Oder hatte ihr das Mitgefühl mit Lance, der nichts von Robs Affäre mit Sissy ahnte, die Tränen in die Augen getrieben? Er hatte ihre Hand ergriffen und auf seinen Schoß gezogen. Sie hatte gelächelt, und ihre Augen hatten dabei geleuchtet: »Wenn du mich heute nochmal fragen würdest, ob ich deine Frau werden möchte, würde ich wieder Ja sagen. Ich würde dich noch einmal heiraten, Rob.« Er hatte sie zärtlich geküsst. »Ich dich auch, Shannon. Wollen wir?« Sie hatte gelacht. »Ich liebe dich.« Sie hatten sich innig geküsst. Bis zum Auszug des Brautpaares aus der Kathedrale ins Blitzlichtgewitter vor dem Portal hatten er und Shannon Händchen gehalten. Nach der Rückkehr nach Brandon Hall hatte Sissy den Brautstrauß geworfen – und wer hatte ihn gefangen? Shannon! Evander hatte sie umarmt: »Rob und du – wann heiratet ihr noch einmal?«
Natürlich war Sissy das nicht entgangen. Ihre Stirn lehnte noch immer an Robs Schulter. »Ich liebe dich, Rob.«
»Ich liebe dich auch, Sissy.«
In seiner Rede vor dem Bankett hatte er sich tatsächlich zu seinen Gefühlen für Sissy bekannt. Er hatte sich von der festlich gedeckten Tafel erhoben, und sofort war es in den offenen Pavillons im Garten still gewesen. Er hatte sich erinnert, wie Sissy und er sich kennenlernten, und er hatte seine innigen Gefühle für sie nicht verhehlt. Aber er hatte sich entschieden, Shannon zu heiraten, die er von ganzem Herzen liebte und die ihm einen niedlichen Sohn geschenkt hatte, auf den er sehr stolz war. Diese Liebe, dieses Glück und diese Zufriedenheit wünschte er Sissy, die zwar nicht seine Frau, aber doch seine beste Freundin geworden war. Rob hatte in seiner Rede auch von dem Brief erzählt, den sie ihm vor einigen Tagen geschrieben hatte. Ein gefühlvoller Brief an den besten Freund, den Vertrauten, den Trauzeugen. Ein
Weitere Kostenlose Bücher