Im Herzen der Wildnis - Roman
bestürzt gewesen. War das ihr liebenswerter, sanfter Skip, über den sie da sprachen, oder ein Irrer? »Gibt es denn keine andere Möglichkeit als diese Elektroschocks?«
»Nein, Ma’am. Ihr Bruder bekommt starke Medikamente. Sobald deren Wirkung nachlässt, wird er wieder psychotisch.«
Shannon hatte sich das neue experimentelle Verfahren erklären lassen. Die Elektroschocks am Gehirn lösten einen schweren epileptischen Anfall aus, der die psychischen Störungen linderte, jedoch zu einem Gedächtnisverlust führte. Besorgt hatte sie den Arzt beobachtet, der ihr die Elektroden zeigte, hatte das Gerät betrachtet, die Liege, die Fesseln für Hände und Füße, und hatte verzweifelt den Kopf geschüttelt. »Nein, ich will das nicht. Er ist mein Bruder. Ich werde ihn mit nach Hause nehmen und mich um ihn kümmern.«
Der Anstaltsleiter war bestürzt gewesen. »Ma’am, das ist …«
»… meine Entscheidung«, hatte sie ihn resolut unterbrochen. »Und selbstverständlich die meines Bruders. Ich werde ihn fragen, was er gern tun möchte.«
Natürlich hatte Skip nach Hause fahren wollen! Mit Rob reden. Mit Ronan spielen. Ihm Lieder vorsingen und Geschichten vorlesen. Am Strand das aufgewühlte Meer malen, das seine Seelenzustände widerspiegelte.
Skips Zustand besserte sich seitdem von Tag zu Tag. Die depressiven Phasen wurden kürzer, und er wirkte ruhig und gelassen. Und die Bilder, die er malte, waren beeindruckend. Als Rob vorschlug, Skip sollte sie ausstellen, war er begeistert.
»Shannon?« Rob strich ihr zärtlich über den Rücken und blieb unter dem Saum ihres Nachthemds hängen. »Träumst du?«
Sie stellte die Tasse ab und drehte sich zu ihm um. Sie küssten sich. Dann ließ er sich in die Kissen zurücksinken und zog an der Klingelschnur. »Ich habe ein Geschenk für dich … Du glaubst doch nicht etwa, dass die Rosen schon alles waren?«
Mr Mulberry trat ein. »Sir?«
»Das Geschenk … Ich würde es jetzt gern überreichen.«
»Sehr wohl, Sir.« Der Butler kehrte mit einem Koffer zurück. Er legte ihn auf das Fußende des Bettes.
Rob richtete sich auf und küsste sie. »Alles Gute zum Hochzeitstag! Mach dein Geschenk auf!«
»Den Koffer?«
»Yeah.« Er lachte, als er ihr verdutztes Gesicht sah. »Was schenkt ein Mann seiner Frau, die schon alles hat? Alles, außer Zeit für sich selbst.«
»Rob …«
»Glück … Freude … Liebe.«
Shannon hob die Augenbrauen. »Liebe?«
»Ich habe Josh um Rat gefragt. Er hat gesagt, es wäre eine gute Idee. Er war ganz begeistert.«
Jetzt war sie aber gespannt! Shannon kroch über das Bett, um den Koffer zu öffnen. Er war für eine Reise gepackt. Sie sah Rob fragend an. »Badesachen?«
Er grinste. »Viel mehr wirst du für die Reise nicht brauchen.«
»Wohin fahre ich denn?«
»Sieh dir mal die Bücher und Karten an.«
Shannon holte sie aus dem Koffer und betrachtete sie. Es waren Reiseführer zu den Trauminseln der Südsee: Hawaii. Bora Bora. Tahiti. Moorea. Rapa Nui. Rarotonga. Samoa. Blaue Lagunen, weiße Strände, bunte Fische vor Korallenriffen, Wasserfälle in smaragdgrünen Bergen, traumhafte Sonnenuntergänge unter Palmen …
»Unsere Jacht ist bereit, Shannon. Morgen kann es losgehen. Evander übernimmt Conroy Enterprises, während du dich von den letzten Monaten erholst, und ich unterstütze ihn nach Kräften. Genieß diese Reise, mein Schatz.«
»Aber Rob, ich fahre doch nicht allein in die Südsee!«
»Natürlich nicht. Ich habe einen Begleiter für dich gefunden.«
»Wen?«
»Josh. Er hat den Koffer für dich gepackt, Shannon. Er hat auch die Dessous für dich ausgesucht. Da sind ein paar wirklich niedliche Sachen dabei, ganz unten im Koffer. Josh hat nicht nur Herz und Verstand, sondern auch einen exquisiten Geschmack.«
»Nein, Rob!«, widersprach sie resolut.
»Doch, Shannon!«, beharrte er ebenso energisch. »Hey, komm schon! Er freut sich auf die Reise. Er packt vermutlich gerade seine Taschen. Ihr beide fahrt morgen.«
»Rob …«
»Die Reise ist ein Geschenk, das von Herzen kommt. Und Geschenke weist man nicht zurück …« Er nahm ihre Hand. Seine zitterte leicht. »Ich möchte, dass du fährst, Shannon … Ich möchte, dass du glücklich bist … Mit Josh.«
In letzter Zeit hatte Shannon ihn nur selten gesehen – es blieb einfach zu wenig Zeit für sie beide. Skip brauchte sie rund um die Uhr. Und Rob widmete sie so viel Zeit wie möglich. In den letzten Monaten waren Josh und sie häufiger getrennt gewesen als
Weitere Kostenlose Bücher