Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen der Wildnis - Roman

Im Herzen der Wildnis - Roman

Titel: Im Herzen der Wildnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah Sanders
Vom Netzwerk:
regieren!«
    »Wir werden gewinnen!« Beschwörend hob Shannon beide Hände: »Gott segne Sie alle! Gott segne dieses Land!«
    Sie überließ es ihren Zuhörern, zu entscheiden, ob sie nun Kalifornien oder die gesamten Vereinigten Staaten gemeint hatte, denn in diesem Augenblick begann die Band schmetternd die Nationalhymne zu spielen. Erneut donnerten Schüsse aus Colts und übertönten die Blitzlichter der Fotoreporter des Chronicle und des Examiner . Dank Phoebe Hearst, die eine Horde Reporter dabeihatte, würde ihr Sohn in San Francisco, Chicago und New York für ein Medienspektakel sorgen.
    Eoghan, der ihr wie seine Wähler applaudierte, warf Shannon seinen Arm um die Schulter und schmatzte ihr im Flackern der Blitzlichter einen Kuss auf die Wange. Wie immer verbarg er seine Gefühle hinter Posen. Er hatte in New York Schauspielunterricht genommen und am Broadway gelernt, wie er die Menschen für sich gewinnen konnte. »Ladies and Gentlemen«, brüllte er übermütig. »Miss Shannon Tyrell!«
    Mr Wilkinson stand nun neben Jane und Phoebe in der ersten Reihe und winkte, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie nickte ihm zu. Dann löste sie sich aus Eoghans Umarmung, trat einen Schritt zur Seite und wandte sich zu Caitlin um. Mit einem Lächeln nahm ihre Großmutter die ausgestreckte Hand, eine abgesprochene Geste, die nicht weniger inszeniert war als Eoghans Kuss.
    Caitlin ließ sich von Shannon nach vorne ziehen, damit Eoghans Wähler ihr huldigen konnten. »Tolle Rede, Shannon«, sagte sie anerkennend, während sie der Menge zuwinkte. »Auch das, was du nicht gesagt hast, wird im Gedächtnis bleiben: Wenn wir Frauen uns hier in San Francisco durchsetzen und Kalifornien seine Verfassung ändert, werden uns alle anderen Staaten folgen. Ich werde dafür sorgen, dass das so gedruckt wird.« Sie deutete hinunter zu den Reportern, die Fotos von ihnen schossen. »Ich bin stolz auf dich, Shannon.«
    Ja, du bist stolz, weil du glaubst, dass ich mich dir unterworfen habe und weil ich getreu deinem Motto handele, das dein Sohn Sean uns schon als Kinder eingeprügelt hat: Du tust, was ich dir sage, und du tust es mit Begeisterung.
    Shannon sah ihre Großmutter an. »Danke, Ma’am.«
    »Du hättest mir deine Rede allerdings vorlegen können, so wie Eoghan …« Caitlin nickte zu ihm hinunter. Er war eben vom Salonwagen gesprungen, um Hände zu schütteln und sich von der jubelnden Menge berühren zu lassen.
    Das Händeschütteln war Bestandteil von Eoghans Politik: ein kraftvoller Griff mit der Rechten, der Aufrichtigkeit und Beständigkeit bewies, kombiniert mit einer Linken, die den anderen am Ellbogen packte oder weiter oben am Arm. Das bedeutete: Eoghan gibt dir Halt, Eoghan steht dir bei, Eoghan interessiert sich für dich. Der zupackende Griff an der Schulter drückte Vertrauen und Zuversicht aus. Das war der in Szene gesetzte Mythos der Tyrells: Verstand und Gefühl, sensibler Intellekt und hemdsärmeliges Handeln, irisch-katholische Entschlossenheit, die sich trotzig von ganz unten, von einem Acker voller verfaulender Kartoffeln in Irland, bis nach ganz oben in die gesellschaftliche Respektabilität der Boomtown Kaliforniens durchgekämpft hatte. Das war der amerikanische Traum! Die Tyrells, sie waren Amerika!
    Eoghans Schauspielunterricht am Broadway in New York war albern gewesen, tat aber seine Wirkung.
    »Ich empfinde Ihren Auftritt in diesem Spektakel mit einem überraschten Lächeln als authentischer«, wies Shannon Caitlins Forderung, ihre Reden künftig mit ihr abzustimmen, resolut zurück. »Wenn Sie Wert darauf legen, dass ich Eoghan auf seinem Weg ins Weiße Haus unterstütze, und wenn Sie von mir verlangen, dass ich Wahlkampfreden halte, müssen Sie damit rechnen, dass ich meinen Verstand benutze. Wofür sonst haben Sie mich nach Stanford geschickt?«
    Caitlin sah Shannon von der Seite an. »Eoghans Rede war nicht so mitreißend und provokant wie deine …«
    »Ich nehme das als Kompliment, Ma’am.«
    »So war’s gemeint.«
    Die gespannte Stimmung, die seit dem Eintreffen des Briefes aus Washington und Shannons Besuch bei Claire Sasson zwischen ihnen geherrscht hatte, schien verflogen. Caitlin war aufgebracht gewesen, weil Shannon ihr nicht gesagt hatte, was sie vor fast fünf Wochen mit dem Präsidenten besprochen und was McKinley ihr jetzt, Anfang April, geantwortet hatte. Das passte ihr ebenso wenig wie Shannons Unabhängigkeit und Freiheit, die sie standhaft verteidigte, als sie mit Jay

Weitere Kostenlose Bücher