Im Herzen der Zorn (German Edition)
aussahen als sie, gafften sie weiter verständnislos an. Nun ja, nicht bloß verständnislos. Die Mädchen musterten sie von oben bis unten. Vor Scham erstarrt und mit feuerheißen Wangen stand sie da.
»In Ordnung, danke, entschuldigen Sie bitte die Störung.« Ihr war bewusst, dass sie besser nach dem Weg fragen sollte. Wenn das nicht der Naturwissenschaftstrakt war, wo befand sie sich dann? Doch sie konnte den Gedanken, noch weiter so zur Schau gestellt zu sein, keine Sekunde länger ertragen. Sie fühlte sich genauso entblößt wie das Skelett, das sie einen Augenblick zuvor gesehen hatte, so, als hätte man ihr komplett den Bauch aufgeschlitzt. Sie wandte sich zum Gehen.
Da schallte eine muntere Stimme durch die Klasse. »Wo müsstest du denn jetzt eigentlich sein? Vielleicht kann ich dir helfen. Einverstanden, Mr Marshall? Entschuldigen Sie mich kurz? Diese Lektion hab ich wirklich schon verstanden.«
Die Stimme kam von einem Mädchen mit zerzaustem blondem Lockenkopf. Mit seinem makellosen runden Gesicht und den strahlend blauen Augen sah es aus wie ein Engel. Das Mädchen zwinkerte ihr kurz zu und Skylar holte zum ersten Mal wieder Luft, nachdem sie diese gefühlt mehrere Minuten lang angehalten hatte.
Der Lehrer verdrehte die Augen. »Das will ich hoffen, Gabby. Aber benutze das bitte nicht als Vorwand für ein kleines Schwätzchen im Gang mit Ms Winters. Ich erwarte dich in fünf Minuten wieder hier.«
»Natürlich«, antwortete Gabby grinsend und verdrehte ebenfalls die Augen. »Em hat jetzt sowieso Englisch. Und sie würde nie schwänzen.« Hier und da wurde zustimmend gekichert, während Gabby hinüber zu Skylar schwebte.
»Komm, wir gehen«, sagte sie, nahm Skylars Arm und zog sie zur Tür hinaus, als wären sie Partner auf geheimer Mission und nicht völlig Fremde.
Draußen auf dem Gang suchte Skylar nach Worten. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie so aufgeregt war. Glücklicherweise ersparte das blonde Mädchen es ihr, als Erste etwas sagen zu müssen.
»Hi! Ich bin Gabby Dove.« Der Name passte perfekt zu ihr.
»Ich heiße Skylar. Skylar McVoy. Ich bin neu hier«, erwiderte sie und hätte sich sofort in den Hintern beißen können. Natürlich war sie neu. Das stand ihr ja quasi auf die Stirn geschrieben.
»Danke, dass du mich da rausgeholt hast«, sagte Gabby, als hätte Skylar ihr mit Absicht einen Gefallen getan. »Ich hasse Mathe. Ziemlich dumm, weil ich eigentlich ganz gut darin bin. Nicht direkt ein Überflieger, aber ich kapiere es. Ich wünschte nur, es wäre nicht so sterbenslangweilig. Na ja, egal, kann ich mal deinen Stundenplan sehen?«
Skylar gab ihn ihr wortlos.
»Ah, du hast jetzt Bio. Voll der Horror. Da blicke ich nie durch. Also, dann müssen wir zurück Richtung Cafeteria – du weißt doch, wo die ist, oder? – und dann nach rechts bis zum hinteren Teil des Gebäudes.« Gabby war bereits losgelaufen und warf die Worte über die Schulter, während Skylar hinterherhastete und versuchte, mit ihr Schritt zu halten. Sie warf einen prüfenden Blick auf Gabbys Kleider: eine rote Tunika, eine schwarze Jeans und schwarze Keilstiefel, die sie mindestens sieben Zentimeter größer machten. Ohne sie wäre Gabby eher klein gewesen, genau wie sie selbst. Skylar zog an ihrer Strickjacke, die ihr plötzlich zu knapp vorkam.
»Und, wie lange bist du schon in der Stadt?« Gabby verlangsamte ihren Schritt, damit Skylar sie einholen konnte.
»Erst seit Samstag«, erwiderte Skylar.
»Woher kommst du?«
»Aus Alabama.« Sie wollte gerade noch mehr über sich erzählen, als sie an einer Gruppe Schüler vorbeikamen, die vor einer Reihe Schließfächer standen, und, plötzlich verlegen, presste sie die Lippen zusammen.
»Hey, Gabs!«, riefen einige von ihnen.
»Hallo, Leute«, erwiderte Gabby und winkte im Gehen über die Schulter. Dann drehte sie sich um und sprach weiter mit ihnen, wobei sie sich im Rückwärtsgang den Flur entlangbewegte. »Ich kann’s kaum erwarten, die Whirlpoolgeschichte zu hören.« Alle brachen in Gelächter aus, während Gabby um die Ecke bog. »Es ist direkt da hinten«, sagte sie zu Skylar.
Skylar lächelte ebenfalls, als hätte sie den leisesten Schimmer, worum es bei der Whirlpoolgeschichte überhaupt ging und warum sie lustig war. Vielleicht würde sie eines Tages die Leute auch einmal so zum Lachen bringen. Vielleicht würde sie den Witz eines Tages verstehen.
»Okay. Da wären wir. Raum 209. Der andere war auch 209«, erklärte Gabby und
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