Im Herzen der Zorn (German Edition)
nickte mit dem Kopf in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. »Aber 209 A. Total bescheuertes System. Denk einfach nicht darüber nach.«
»Vielen Dank«, sagte Skylar und versuchte, dabei nicht allzu überschwänglich zu klingen. Sie hatte sich schon genug zum Affen gemacht. Es war wichtig, sich Mühe zu geben, aber dabei nicht bemüht zu wirken. Diese Regel galt auch bei Schönheitswettbewerben. Immer schön locker wirken .
»Keine Ursache, ich hab gern geholfen. Bis bald mal, Skylar«, erwiderte Gabby und machte sich auf den Weg zurück zu ihrer Mathestunde. Skylar schaute ihr nach und sah dann nach unten, um ihre Bluse glatt zu ziehen, bevor sie den Bioraum betrat. Kotz. Plötzlich konnte sie nicht dagegen ankämpfen, sich so zu sehen, wie Gabby sie wahrgenommen haben musste: als gewöhnlich, verloren, mitleiderregend. Mit einem Kloß im Hals öffnete sie die Tür, bereit, der nächsten Demütigung entgegenzutreten.
Platt. Platt und strähnig. Skylar hasste Haarspray und Schaumfestiger, überhaupt jede Form von Haarstylingprodukten. Der klebrig-süße Geruch erinnerte sie an die Garderobenräume der Schönheitswettbewerbe. Demzufolge hingen ihr die Haare, die sie gerade zwischen der dritten und vierten Stunde vor dem Toilettenspiegel aufzulockern versuchte, schlaff am Kopf herunter – kein Vergleich mit Gabbys fröhlich springenden Locken.
Als sie sich so betrachtete, hatte sie plötzlich das vage Gefühl, als stünde jemand hinter ihr. Sie wirbelte herum, obwohl sie genau wusste, dass sie allein in der Toilette war. Sie wandte sich wieder dem Spiegel zu. Da öffnete sich auf einmal der Raum hinter ihrem Rücken, wie sich Wasserdampf nach dem Duschen verzog, und sie erblickte Lucy, die sie mitleidig anlächelte.
Oh, was sieht es hübsch aus, unser Pummelchen .
Pummelchen. Diesen »liebevollen« Spitznamen hatten Lucy und ihre Mom ihr in der dritten Klasse verpasst. Skylar lehnte am Waschbecken und drehte den Hahn auf, ließ sich etwas Wasser in die hohlen Handflächen laufen und schluckte es durstig herunter. Sie zwang sich, nicht zu weinen, befahl der Lucy in ihrem Kopf zu verschwinden. Das hier ist deine Chance, von vorn anzufangen , sagte sie sich. Sie richtete sich auf, kramte in ihrer Handtasche nach einer Tube Lipgloss und rauschte zur Toilettentür hinaus. Zu ihrer letzten Stunde vor der Mittagspause würde sie nicht zu spät kommen.
Als sie es später endlich in die Cafeteria geschafft hatte, war klar, wo sie sitzen wollte: an einem der Tische unter den großen Dachflächenfenstern, die in helles Winterlicht getaucht waren und wo die Schüler angeregt plauderten, gemeinsam Pommes frites vertilgten und in letzter Minute ihre restlichen Hausaufgaben erledigten. Jeder auf diesen sonnenbeschienenen Plätzen schien vor Selbstbewusstsein zu strotzen.
Wer hier saß, gehörte dazu.
Sie umklammerte ihre braune Tasche, in der sich ein paar Möhren, eine kleine Dose Hummus und ein Joghurt befanden, alles am Morgen von Tante Nora hineingepackt, und steuerte in die entsprechende Richtung. War sie vielleicht zu dreist, einfach so in die angesagte Zone zu stolzieren? Aber sie hatte ja nicht vor, sich mitten ins Geschehen zu pflanzen. Sie würde am Rand bleiben, die Leute freundlich anlächeln und zuhören, was sie sich hier so zu erzählen hatten. Obwohl … wegen dieser Gruppe grölender Jungs, die sich da neben der Kasse schubsten und rauften, konnte es vielleicht schwierig werden, etwas zu verstehen …
Gerade als sie den perfekten Platz am Rande der lichtdurchfluteten Fläche entdeckte, traf es sie. Oder besser gesagt, er traf sie – ein Junge (einer von denen, die sich ein Ringkämpfchen lieferten) kam aus dem Nichts angeflogen, knallte ihr an die Schulter und kippte ihr sein Tablett Spaghetti mit Tomatensoße über das weiße Top und die pinkfarbene Strickjacke.
»Ihr Arschlöcher! Jetzt muss ich mir ein neues Mittagessen holen!« Der Junge, der mit Skylar zusammengestoßen war, trug eine Ascension-High-Footballjacke und hatte noch gar nicht bemerkt, dass sein verloren gegangenes Mittagessen inzwischen Skylars Bluse zierte. Sie spürte die warme Soße auf dem Bauch. Fünfzig Augenpaare starrten sie an.
»Oje.« Der Junge hatte sich umgedreht und sah, was passiert war. Er hatte kurze braune Haare, ein markantes Kinn und breite Schultern. Über seiner rechten Brust war der Name Travers auf seine Footballjacke gedruckt. »Wie siehst du denn aus?«
Sie machte den Mund auf, um etwas zu
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