Im Herzen der Zorn (German Edition)
verschränkt und mit seinem finsteren Blick sah er aus wie ein richtiger Türsteher. Doch kaum näherte sie sich ihm, schien er irgendwie dahinzuschmelzen. Wie verzaubert.
»Mr Shields?« Em schenkte ihm ein süßes Lächeln. »Ich glaube, ich habe meine Eintrittskarte zu Hause vergessen, oder ich hab sie verloren …« Sie reckte den Hals und versuchte, ins Innere der Halle zu sehen.
Mr Shields blickte sie abwesend an, als würde er sie durch Nebel betrachten. »Ach, ist schon gut, Emily. Geh ruhig rein.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. Das lief ja viel einfacher als erwartet.
Auf der gesamten Tanzfläche war ein Labyrinth aus Spiegeln aufgebaut, transparente Stoffbahnen hingen hier und da von der Decke und die Turnhalle war erfüllt von Rauch aus einer Nebelmaschine. Die Luft roch erdrückend süß, eine Mischung aus den chemischen Zusätzen des künstlichen Nebels und Deospray, das die meisten der Jungs großzügig benutzt hatten.
Em stand auf den Zehenspitzen, hielt Ausschau nach Drea, nach JD, nach Gabby, nach allen. Sie brauchte einen Rettungsanker, eine Möglichkeit, sich zu fangen und wieder zu orientieren.
Gabby zu finden, war zumindest kein Problem. Em war mitten in der Krönungszeremonie angekommen. Pierce Travers stand bereits unbeholfen auf der Bühne, eine Krone auf dem Kopf und ein verlegenes Lächeln im Gesicht. Es ließ sich nicht leugnen, dass er in schwarzer Anzughose, weißem Hemd und blauer Krawatte ein Bild von einem smarten Frühlingskönig abgab. Sie hatte schon vor Augen, wie er der nächste Zach McCord werden würde … nur weniger verdorben. Hoffentlich.
Als Nächstes kam die Königin, wenig überraschend: Gabby. Sie strahlte förmlich, als sie sich unter einem Sturm von Pfeifen, Johlen und Applaus ihren Weg zur Bühne bahnte. Mit ihrem trägerlosen rosa Kleid, weißem Gürtel, weißen Keilschuhen und dem Kopf voll wippender Locken war sie die perfekte Königin. Doch statt brav ihre Krone entgegenzunehmen und sich neben Pierce zu stellen, nahm Gabby das Mikrofon und räusperte sich.
»Vielen Dank für diese große Ehre«, sagte sie und ihre Stimme hallte durch den Saal, der augenblicklich still wurde. »Aber ich werde die Krone der Frühlingskönigin dieses Jahr nicht tragen.« Leises Nach-Luft-Schnappen und Flüstern in der Turnhalle. »Stattdessen möchte ich sie posthum an Sasha Bowlder weitergeben, die uns viel zu früh verlassen hat.« Sie atmete tief durch und fuhr fort. »An Abenden wie diesem hat Sasha sich wahrscheinlich nicht so gut gefühlt«, sagte Gabby, während Em das Herz aufging, als sie ihrer Freundin dabei zusah, wie sie sich an die Zuschauer wandte. »In unserem täglichen Leben an der Ascension vergessen wir manchmal, dass nicht jeder so glücklich ist wie wir.« Em hörte Schniefen von einigen Mädchen in der Nähe des Getränketischs. »Ich weiß, dass ich es selbst oft vergessen habe, als Sasha noch lebte. Und deshalb möchte ich ihr heute Abend diese Krone geben. Als kleine Geste, um zu zeigen, dass wir von jetzt an versuchen werden, an sie zu denken.«
Alle, Em eingeschlossen, applaudierten heftig, als Gabby an Pierces Arm lächelnd von der Bühne schritt und die Menge der Leute abschüttelte, die sie auf der Stelle umringte. Sie drängte sich bis zu der Ecke vor, in der eine Gruppe Musiker in Westen und mit wilden Frisuren stand, und bat sie vermutlich, rasch weiterzuspielen. Em steuerte auf sie zu.
Da erblickte sie ihn: seine Haare, seine Schultern, seinen Hals. JD stand nur ein paar Meter entfernt, mit dem Rücken zu ihr. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen, und sie spürte, wie die Hitze ihr den Hals hinaufstieg, bis in die Wangen.
Da drehte er sich um und sie geriet noch mehr aus der Fassung. Er sah nicht nur gut aus, wie sonst immer. Er sah umwerfend aus. Die enge Jeans und der dunkle Blazer, das weiße Hemd und die hellgrüne Fliege, die Sneakers, die unter seinem Hosensaum hervorlugten, sein verschmitztes Lächeln – genau die richtige Mischung.
»Ähm, hi«, begrüßte sie ihn und hoffte, das schummrige Licht würde ausreichen, um ihre Schamröte zu kaschieren. »Ich bin noch nicht lange da.«
»Ich weiß, ich hab dich reinkommen sehen«, antwortete er, als die Band wieder anfing zu spielen. Em wartete gespannt darauf, dass er noch etwas sagte, aber es kam nichts.
»Mit wem … mit wem bist du hier?« Em wollte die Antwort am liebsten gar nicht hören, aber sie musste einfach danach fragen. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, um
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