Im Herzen der Zorn (German Edition)
entdeckte, als er gerade aus seinem und Dreas Kurs über amerikanische Geschichte kam und im Gehen einige Unterlagen in seinem Rucksack verstaute. Sie sah ihm nach, während er den Gang entlang von ihr weg lief. Die Arbeit am Wagen war offensichtlich ein gutes Training – er schien viel muskulöser als sonst. Und während sie darüber nachdachte, ihn zu fragen, wo Drea war, wollte sie eigentlich gar nicht wirklich erfahren, ob er es wusste.
Ems Angst stieg langsam in unermessliche Höhen. Waren etwa die Furien Drea auf den Fersen? Es gab keinerlei Anzeichen, dass sie in irgendeiner Weise auserwählt war – eher im Gegenteil. Sie erschien immer als die Jägerin, nicht als die Gejagte. Und trotzdem … es machte Em zurzeit extrem nervös, wenn jemand vermisst wurde.
Als sie sich zum Mittagessen hinsetzte, war sie fest entschlossen, ihre Unterhaltung mit Skylar fortzuführen, die inzwischen eine feste Größe an ihrem angestammten Tisch geworden war – etwas für eine Zehntklässlerin praktisch noch nie Dagewesenes.
Doch Em kam gar nicht zu Wort. Es herrschte eine absolut seltsame Stimmung am Tisch. Gabby schien irgendwie abwesend und schlecht drauf, während Skylar, an eine offensichtlich hingerissene Zuhörerschaft gerichtet, bestehend aus Fiona, Lauren, Jenna und dem Rest der Clique, redete wie ein Wasserfall. Sie würdigte Em kaum eines Blickes, als sie sich setzte.
»Also, ich versuche dann, vor dem Ball noch ein Abendessen mit den Dusters zu organisieren – VIPs only«, verkündete sie. »Ist das nicht ’ne Superidee?« Die Mädchen kreischten begeistert.
Es hatte sich schon morgens bis zu Em herumgesprochen, dass es Skylar gewesen war, die sich das Motto für das Frühlingsfest ausgedacht hatte. Angesichts der Tatsache, dass Gabby, als sie sich vor ein paar Tagen für die Party im Verwunschenen Wald zurechtmachten, noch davon gesprochen hatte, wie sehr sie sich den Kopf zerbrach, um ein Motto zu finden, wusste sie genau, dass diese Wende der Ereignisse Gabbys Stolz verletzen musste. Em hätte sich dafür in den Hintern treten können, dass sie ihr nicht beim Nachdenken geholfen hatte. Nicht etwa, dass sie eine große Hilfe gewesen wäre. Sie konnte sich genau vorstellen, wie ihr Vorschlag sich angehört hätte: Wie wär’s mit einem verrückten außerirdischen Monster-Motto, Gabs?
Gabby wandte sich von den anderen Mädchen am Tisch ab, die alle aufgeregt über den Ball schnatterten. »Ach, übrigens, warst du gestern im alten Einkaufszentrum? Ich könnte schwören, ich hätte dich da gesehen.« Sie stocherte in ihrem Essen herum. Em sah ihre Freundin genauer an und registrierte die schlaff herabhängende Locke über ihrem Ohr und den heraushängenden Faden an ihrer Strickjacke.
»Nö. Das war ich nicht«, antwortete sie. »Warst du ein bisschen Frustshoppen?«
»Ich bin nach der Sitzung des Ballkomitees hingegangen, um ein Kleid zurückzugeben.« Gabby beugte sich vor und flüsterte: »Es ähnelte dem, das Skylar neulich anhatte, zu sehr. Ich wollte nicht, dass sie mich damit sieht und womöglich denkt, ich würde sie kopieren, weißt du? Oder dass sie das Gefühl hat, ich würde denken, sie kopiert mich.«
Das war ja so typisch Gabby – sich um Skylars Gefühle zu sorgen und nicht zu merken, dass die sie in der Tat völlig unverfroren kopierte.
»Ich hab nach dir gerufen«, fuhr Gabby fort. »Nachdem du nicht zur Komiteesitzung gekommen warst, dachte ich schon, du wolltest vielleicht nicht von mir gesehen werden.«
Em erschrak. War sie in letzter Zeit wirklich eine so schlechte Freundin gewesen, dass ihre Best Friend Forever glaubte, sie würde sie einfach in der Öffentlichkeit ignorieren? »Ich hab schon seit Monaten keinen Fuß in irgendein Einkaufszentrum gesetzt – weder in das alte noch in das neue«, erwiderte sie, erleichtert, dass sie ausnahmsweise einmal die Wahrheit sagte.
»Zu beschäftigt mit anderen Dingen, was?« Die Worte kamen locker aus Gabbys Mund, hatten jedoch einen verbitterten Beiklang. Sie betrachtete aufmerksam ihren Salat. »Ich hätte schwören können, dass du es warst.«
»Ich würde dich nie ignorieren, Gabs. Und ich würde wirklich gerne mal nach Pullovern schauen«, antwortete Em und versuchte, die Unterhaltung wieder in normale Bahnen zu lenken. »Vielleicht können wir ja irgendwann mal zu diesem neuen Vintage-Laden nach Portland fahren?«
»Ja, klar. Irgendwann«, wiederholte Gabby.
Doch Em musste schmerzlich feststellen, dass Gabby ihr nicht glaubte.
Em
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