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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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alte Gewohnheit aus den Tagen bevor gentechnisch gezüchtete Tiere die Wände von Schächten und Stollen patrouillierten, um unerwünschte Lebensformen zu verzehren. Einmal machte er halt, zwei Hybriden von Mangusten und Wieseln zu streicheln, die Saul zu diesen Überwachungszwecken maßgeschneidert hatte. Sie krabbelten an ihm herauf, beschnüffelten seine Hand, entdeckten, daß sie kein geeignetes Nahrungsmittel war, und verloren das Interesse.
    Er kam in die Zentrale und ließ sich, wie es ihm zur Gewohnheit geworden war, von den Monitoren die täglich Bestandsaufnahme geben. Sie waren nur noch sechs Wochen vom Perihel entfernt, und mit jedem Kilometer beschleunigte der Komet seine Passagiere dem fast sicheren Verhängnis entgegen. Carl forderte die Zustandsaufnahmen an, die von den wenigen noch intakten Videokameras an der Oberfläche eintrafen.
    Es war schlimmer heute. Viel schlimmer.
    Er wählte eine Kamera, die zur Dämmerungslinie gerichtet war. In weiter Ferne wehten elfenbeinfarbene Staub- und Gasfahnen von Anhöhen, die das Licht der aufgehenden Sonne erfaßt hatte. Mit einer sich rasch ausbreitenden Linie strahlender Helligkeit schlitzte sie den Himmel vom Eis. Goldene Finger tasteten zwischen den Erhebungen am Horizont durch und brachten die Ebene zum Rauchen. Wo sie auf Eisbuckel stießen, eruptierten Ausgasungen von bläulicher und schmutziggrüner Farbe. Hoch über der Oberfläche wehten Plasmabanner, Nordlichter, die schon jetzt gewaltiger als alles waren, was Amundsen oder Perry gesehen hatten.
    Sie hatten Halley wieder in Rotation versetzt, um die Wärmebelastung auszugleichen. Außerdem hatte Jeffers eine Anordnung von lichtabsorbierenden Platten aufgebaut, um die Ausgasung wenigstens teilweise zu kontrollieren und sie vielleicht als Navigationsmittel einzusetzen, aber in diesem heulenden Chaos war es unmöglich, auch nur eine genaue Himmelsmessung zu machen und zu berechnen, welchen Erfolg – wenn überhaupt – ihre Bemühungen hatten.
    Wir segeln in den Sturm, dachte er. Ohne Kompaß.
    Die Oberfläche des Kometenkerns hatte sich verändert und ähnelte nun einer Schneelandschaft, die von geheimnisvollen Kratern und Aufwerfungen übersät war. Die meisten Spuren menschlicher Tätigkeit waren ausgelöscht. Die Gase mit niedriger Verflüchtigungstemperatur entwichen als erste und hatten die staubigen Ebenen tausendfach durchlöchert, um sich auszudehnen und im Vakuum zu verflüchtigen. Der Schnee gefrorener Gase mit höherem Verflüchtigungspunkt lag vermischt mit Schichten kosmischen Staubes und verschmierte die Explosionslöcher. Gelegentlich flogen braune Flecken plötzlich davon und gingen in die aufwärtsschießende Bewegung des leuchtenden gelbgrünen Schweifes über, der Carl als ein diffuser Dunst sichtbar war, welcher sich über dem Himmel erstreckte. Während er das Geschehen beobachtete, ging ein langsam pulsierendes Dunkeln durch die diffuse Helligkeit, eine auswärts gerichtete Welle von irgendeiner Stauberuption auf der Sonnenseite.
    »Ziemlich übel«, sagte Jeffers neben ihm. Er war im Kühlfach noch magerer geworden, und sein gelblich-fahles Gesicht gemahnte an einen Toten. »Der Partikelausstoß pro Sekunde hat sich seit letzter Woche verdreifacht.«
    »Er wird sich von nun an beinahe exponential erhöhen«, sagte Carl. Er gab es als Tatsache aus, obwohl es bisher nur Virginias Voraussage war; aber ihre Berechnungen waren in letzter Zeit so präzise, daß es kaum einer Unterscheidung bedurfte.
    »Wir haben den letzten der Geschwindigkeitsmesser verloren.«
    »Nicht überraschend.«
    »Einfach weggeblasen.«
    »Temperatur?«
    »Die Nachtseite ist bei einhundertachtzig Kelvin. Die Tagseite ungefähr fünfzehn Grad höher. Ein ziemlich hoher Wärmegradient.«
    Die Wärmebelastung war der entscheidende Faktor. Mit der gleichmäßigen Erwärmung der Oberfläche drang Wärme auch in den Kern ein. »Wie ist die Ablesung unten in den Schächten?«
    »Ungefähr sieben Grad kälter als die Oberfläche.«
    »Viel.«
    »Ja.«
    Eis war elastisch. Die wärmere Oberfläche expandierte, dehnte sich – und brach auf. Die unaufhörlichen Hammerschläge der Rückstoßgeräte hatten das Eis zweifellos bis tief in den Untergrund verformt und in Spannung versetzt. Mit der zunehmenden Erwärmung würden Brüche als Druckausgleich unvermeidlich werden. Aber wie und wo? Keine numerische Simulation konnte das voraussagen. Der Kometenkern war von der insektenhaften Wühlarbeit der Menschen bereits

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