Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
Vom Netzwerk:
Neptun wenigstens ein Jahrhundert in Anspruch nehmen, selbst wenn es weitgehend maschinell geschieht, aber wir könnten die meiste Zeit davon durchschlafen.«
    »Manchmal kann man klarer denken, wenn der Mund geschlossen ist«, sagte Carl und machte eine Handbewegung zu Ould-Harrad, der sein Manövriergerät in Betrieb genommen hatte und rasch näherkam.
    »Gut, hören wir auf«, sendete Jeffers.
    »Aber es ist wahr. Denkt darüber nach! Vielleicht ist es ein erster Schritt zu ungeahnten Möglichkeiten«, schloß Sergejow und machte sich wieder über seine Arbeit her.
    Aber wie sich herausstellte, hatte der stellvertretende Kapitän nichts von ihrem Gespräch mitgehört; er brachte nur neue Pläne zur Programmierung der Maschinen. Carl nutzte die Gelegenheit, allein auf der anderen Seite der Kühlfächer weiterzuarbeiten. Er war noch nie ein Freund von Politik gewesen. Und ihre abenteuerlichen Reden hatten ihn beunruhigt.
    Er tauchte ein in die schwebende, gleitende Anmut von Beethovens Kammermusik, während er sich durch tintenfarbene Schatten und grellgelbes Flutlicht bewegte, zog und stieß, die säuerliche Luft im Anzug roch, die Vibrationen des Druckluft-Schraubenschlüssels im Arm fühlte, das schweißfeuchte Ziehen und Drücken des Anzugs an Schultern und Knien.
    Er war mit seinen Eltern die Küstenstraße hinauf nach Norden gefahren.
    Hinter ihm hatten vier Jahre am Caltech gelegen, ineinanderfließende Erinnerungen an goldenen Sonnenschein, durchgearbeitete Nächte, Wochenendstreiche und nicht endenwollende Problemstellungen und Vorlesungen und herzlich wenig Sex. Er hatte keine Zeit dafür gehabt. Sergejow war so felsenfest davon überzeugt, daß ein Percell etwas Besonderes sei – nun gut, vielleicht mußte Sergejow so denken, weil er Kompensation brauchte. Aber Carl dachte anders darüber.
    Er war vorwärts gekommen, weil er gearbeitet hatte, nicht weil er klüger gewesen war als die anderen. In seiner Studienzeit am Caltech hatte er eine wachsende Verwandtschaft mit all den Männern und Frauen gespürt, die jemals lange Stunden in der Einsamkeit des Studierzimmers verbracht hatten. Anders als griesgrämige Neider oder unerfahrene Jungen glaubte er nicht einen Augenblick lang, daß kreative Menschen ihre Zeit in Müßiggang verbrachten und dann, wenn die Erleuchtung über sie kam, in gewaltsamen, fiebrigen Ausbrüchen von Inspiration brillante Ideen herausschleuderten.
    Wollte man irgend etwas gut machen, so waren Ausdauer, Stetigkeit und Sorgfalt ebenso nötig wie Verstand und Inspiration.
    Und diese Eigenschaften hatte er, mochte es ihm auch an Brillanz fehlen.
    Mit dieser inneren Wahrheit rang er, als er mit den Eltern die Küste entlang nordwärts fuhr. Er hatte sich in Berkeley um einen Studienplatz für Weltraumingenieurwesen beworben und ihn gegen all seine Erwartungen bekommen. Allerdings war ihm weder ein Stipendium noch eine andere Lernbeihilfe bewilligt worden. Das bedeutete, daß er ein Grenzfall war. Sein loyaler Vater sah in der Verweigerung des Stipendiums jedoch ein weiteres Symptom der zunehmenden Vorurteile gegen Menschen mit künstlich veränderten Erbanlagen.
    Carl wußte es besser. Universitäten sind schwerfällige Organisationen, die von den Flutwellen öffentlicher Vorurteile, wenn überhaupt, erst spät erfaßt werden. Der Zulassungsausschuß hatte zweifellos seinen Notendurchschnitt von 3,3 gesehen und bemerkt, daß er hauptsächlich auf guten Leistungen in praktischen Fächern wie Labortechnik und Konstruktionsentwurf beruhte. Mathematik und Physik hatten ihn mehr als einmal in die Seile geworfen, groggy von den komplexen variablen Integrationen und der Quantenelektronik.
    Das fröhliche Geplapper seiner Stiefmutter war von einem überschäumenden Enthusiasmus, der ihm immer exaltiert und übertrieben vorgekommen war. Er selbst neigte mehr zur Bedächtigkeit. Auch war er niemals imstande gewesen, das langsame Sterben seiner Mutter zu vergessen und sich an diese neue Frau im Leben seines Vaters zu gewöhnen. So hatte er auf dem Rücksitz gesessen, die Landschaft betrachtet und versucht zu überlegen. Nördlich von Ventura blieben die herbstlich gelben Hügel zurück, und die blaue Fläche des Ozeans breitete sich vor ihnen aus. Die Straße folgte nun der Küste, und Carl bemühte sich in wiederholten Anläufen, ihnen seine Zweifel zu erklären. Seine Berichte von den entfernten intellektuellen Schlachtfeldern klangen hohl, setzte man sie der Wirklichkeit draußen entgegen.

Weitere Kostenlose Bücher