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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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Silbergrau verwitterte Scheunen, Reihen von Eukalyptusbäumen, üppige Obstgärten an den Hängen, dünnbeinige Bockbrücken, auf denen die Bahnstrecke Schluchten überquerte, Kühe, die unbeweglich wie Statuen in den Schatten immergrüner Eichen standen. All die kostbaren Schönheiten der Erde.
    Als sie am Abend in Moro Bay Station machten, war das Wasser der Bucht von gläserner Klarheit. Seine Stiefmutter konnte sich nicht genug tun, eine schnittige, alabasterfarbene Yacht zu bewundern, die draußen vor der schützenden Sandbank vorbeizog. Hübsch war sie, ja. Aber Carl gefielen die an der Landungsbrücke vertäuten Fischkutter besser – ölig und rostig, nach Fisch und Salzwasser riechend und überhäuft mit Netzen, Tauwerk, Ankerketten und Gerät. In einem Hafenrestaurant diskutierten sie über einem Fischgericht, und sein Vater kam so in Fahrt, daß er den Chardonnay fast allein austrank und mit rotem Gesicht eine zweite Flasche bestellte.
    Als Carl am nächsten Morgen erwachte, wußte er, was er zu tun hatte. Die Fahrt ging durch das grasbedeckte Hügelland der Vorberge landeinwärts nach San Luis Obispo, das zwischen niedrigen, felsigen Bergen lag. Dort sagte er seinem Vater, wozu er sich durchgerungen hatte, und auf einmal gelang es ihm, sich klar auszudrücken. Rückblickend begriff er, daß es brutal gewesen war.
    Sein Vater hatte mit einer ausholenden Armbewegung gerufen: »Du willst dies alles aufgeben?« Damit hatte er Berkeley und die wissenschaftliche Fachausbildung gemeint, aber Carl war über Nacht klargeworden, daß er sich in die Bücher würde vergraben müssen und nie mehr lebendig zum Vorschein kommen würde. Vielleicht würde er einen akademischen Grad erlangen und einen gutbezahlten Schreibtischjob bekommen, mit sehr viel Glück sogar einen Doktortitel.
    Aber er war in der Theorie nie eine Leuchte gewesen und wäre immer zweite Wahl geblieben. Und er hätte Jahre verloren.
    Er dachte zurück an die empörte Armbewegung des Vaters über Tal und Hügel hin, und sah, wie recht der alte Herr damals gehabt hatte: er hatte das alles wirklich aufgegeben, sogar die Erde selbst.
    Er erinnerte sich bis ins kleinste Detail, obwohl inzwischen elf ereignisreiche Jahre vergangen waren. Jahre, in denen er gelernt hatte, wie die Verhältnisse im Raum wirklich waren – nicht die geometrische Gewißheit mathematischer und physikalischer Aufgaben, wo jedes Problem eine klare Lösung in einem geordneten Universum hatte. Er hatte gelernt, wie es wirklich war – schmutzig, anstrengend, mit vielen Problemen, für die es keine Lösung gab.
    Es war wohl eine zwangsläufige Entwicklung, daß vielen Percellen diese Laufbahn reizvoll erschienen war, hoch über den zusammengedrängten, gärenden Massen, die sie fürchteten und verabscheuten. Sicherlich traf es zu, daß der Weltraum seine Schönheit hatte, aber die Orte, die der Mensch dort für sich bereitet hatte, glichen mehr den rostigen Fischkuttern in der Moro Bay, abgenutzt und erfüllt von Gerüchen, verbeult und behelfsmäßig, funktionell, aber häßlich und fern von aller Ästhetik.
    Ringsum wurden ungefüge Massen bewegt, Scheinwerfer durchbohrten das frostige Halbdunkel. Särge in Isoliergehäusen wurden in schwarzglänzende Eisnischen geschoben. Beethovens Violine sang zu plätschernder Klavierbegleitung und überbrückte mühelos die gähnende Stille von eineinhalb Jahrhunderten. Carl mühte sich weiter, dachte an seine langen, im Raum verbrachten Jahre, weit von den Verwirrungen der Erde, aber auch von ihren Schönheiten.

 
8

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SAUL
     
     
    Es war nicht leicht, sich zu vergegenwärtigen, daß die Halle tatsächlich eine riesige Kristallhöhle war, herausgeschnitten aus dem Herzen eines uralten Eisbergs. Nirgends war das dunkle Glitzern gefrorenen Ammoniaks und Kohlenmonoxids zu sehen, das geädert war von glänzenden Schichten gefrorener Hydrate und Gase. Überall war die Urmaterie des Nukleus unter rosa Fibergewebe und aufgesprühter hellgelber Dichtungsmasse verborgen.
    Für Saul Lintz hatte das Ganze den Charakter einer Kathedrale des Kitsches.
    Die große Halle war das Herz des Zentralkomplexes – eines wahren Ameisenhaufens von Kavernen und Stollen, die hier in Halleys Kern aus dem Eis gehöhlt waren. Stollen und Schächte führten von hier in die sechs Hauptrichtungen. Zur besseren Unterscheidung waren sie bernsteinfarben, gelb, grün, braun, blau und rotorange gekennzeichnet. Diese letztere Farbmarkierung hatte Schacht 1, ein breiter,

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