Im Herzen des Kometen
umhüllten Körper im Schlepptau.
»Wer…«
»Quiverian«, sagte Carl. »Er ist zu krank geworden. Wir können nicht länger warten, oder er stirbt vor unseren Augen weg.«
»Da hilft kein Weh, da hilft kein Ach«, witzelte Vidor matt, »er muß hinein ins Kühlungsfach.«
Virginia suchte an einem Handgriff halt. »Wir… wir werden jemanden wiederbeleben müssen.«
Carl nickte bekümmert. »Sechs haben wir fast aufgetaut. Möchtest du entscheiden, wer der nächste sein soll?«
»Nein, ich…« Sie wußte, daß sie helfen sollte, aber… »Ich werde mit Saul reden.«
»Der Zutritt zu ihm ist noch immer untersagt, ausgenommen in Fällen dringender Notwendigkeit«, sagte Carl steif.
»Sie sehen ihn auch. Er arbeitet neben Ihnen allen!«
»Gewiß, aber wir sind mit ihm nicht intim. Du weißt so gut wie ich, was ihr…«
Sie errötete. »Kümmere dich um deine eigenen Geschäfte, Carl!«
Carl zuckte die Achseln, um seine Verärgerung zu verbergen. »Malenkow hat Sauls Quarantäne nur gelockert, nicht aufgehoben.«
»Ich finde nicht, daß das noch viel Bedeutung hat, da Malenkow selbst krank ist. Saul ist jetzt unser Aushilfsarzt.«
»Ich halte es für eine schlechte Idee, Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu riskieren, um…«
»Carl, ich nehme die Gefahr auf mich.«
»Dann halten Sie sich von uns anderen fern!« sagte Vidor. »Lintz ist in Ordnung, aber ich lasse ihn nicht zu nahe an mich heran. Wenn Sie ihn anfassen, gilt das gleiche für Sie.«
Virginia war erschrocken. Sie mochte Vidor, aber nun war er auf einmal feindselig und mißtrauisch, sein Gesicht eine starre Maske. Er zog an der Schleppleine des kranken Quiverian und stieß sich ab. Doch schien es Virginia, als ob seine gewohnte Sicherheit geschwunden wäre, und daß er Schwierigkeiten hätte, sich und seine Bürde auf Kurs zu halten. Er wirkte unbeholfen wie ein Anfänger.
»Keine Sorge, das werde ich«, erwiderte Virginia zornig. »Vielleicht gehe ich auch gleich in Quarantäne!«
Sie stieß sich ab und sauste in die Gegenrichtung davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Lächerlich, dachte sie, Vidor sieht schlechter aus als Saul. Dann überwand sie ihre Gereiztheit so gut sie konnte.
Als sie ins Laboratorium kam, blickte Saul überrascht auf. Sein müdes graues Gesicht hellte sich auf. Sie wußte, daß sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
»Du solltest wirklich nicht riskieren…«, sagte er ohne viel Überzeugung.
Sie verschloß ihm den Mund.
Zum Teufel mit stümperhaften Gedichten, dachte sie, ich halte mich an die Realität!
11
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CARL
Jim Vidor war keine große Hilfe.
Er hustete in die vorgehaltene Hand und lehnte an der Wand des Vorbereitungsraumes. Auch sah er sehr schlecht aus; sein blasses Gesicht hatte die gleiche fleckig-teigige Beschaffenheit und den schweißigen Glanz, den sie in den beiden letzten Tagen bei Quiverian beobachtet hatten.
Nachdem er Quiverians Körper in die Bettung des Kühlfaches gelegt und es ihm so bequem wie möglich gemacht hatte, brachte er Versorgungsanschlüsse und Sensoren an. Alles sah gut aus, aber sicherheitshalber überprüfte er noch einmal die gesamten chemischen Anschlüsse und die Schaltkreise der Überwachung. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Ein falscher Anschluß, eine defekte Zuleitung, und das Todesurteil war gesprochen. Der Monitor-Computer sollte Fehler rechtzeitig erkennen und melden, aber wenn man erst anfing, sich auf die Sicherheitssysteme zu verlassen, dann war das in seinen Augen bereits der Anfang vom Ende.
Je länger die Krise andauerte, desto pedantischer wurde Carl in seiner Arbeitsauffassung; es war seine Methode, der Übermüdung entgegenzuwirken.
Der pH-Wert des Blutes war stabilisiert. Die Kreislaufwerte entsprachen den Anforderungen. »Wir können ihn einschieben und zusperren«, sagte Carl.
Vidor nickte und kam zu ihm. Seine Bewegungen waren matt, seine Augen tränten. Gemeinsam manövrierten sie den ›Sarg‹ in die Kühlfachöffnung, verschlossen sie mit dem luftdichten Deckel und schlossen die Außenschläuche an. Die Reihen der gefüllten Fächer im Vorbereitungsraum umgaben sie auf allen Seiten, und sie arbeiteten unter einer bereiften Kuppel. Wattiger Nebel zog träge in den Luftströmungen über ihren Köpfen. Diese Kühlfächer waren aus der Sekanina ausgebaut worden und hatten schwierige Schlauchverbindungen. Immer haperte es mit der Standardisierung des Materials, selbst bei einer Mission wie dieser, dachte Carl.
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