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Im Herzen Des Lichts

Titel: Im Herzen Des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Tisch?«
    »Bis heute abend hatte ich ihn überhaupt noch nie an einem Tisch essen sehen. An Bord trug er sein Essen jedesmal zu einer anderen Stelle an Deck oder auf den Zwischendecks, aber diese Taktik hatte ihre Grenzen. Wie du weißt, wurde unsere Seereise durch widrige Winde verlängert, die letzten beiden Tage aß er überhaupt nicht. In der Schenke, in der ich ihn kennenlernte, hatte er bereits eine Woche verbracht. Er hatte den Wirt bestechen müssen, ihm jede Nacht ein anderes Bett oder einen anderen Strohsack zu geben, und da es in der Wirtsstube nur zwei Tische gab, mußte er sich entwürdigen, wie ein Hund auf dem Fußboden zu essen. Er hatte deshalb unter viel Spott zu leiden.«
    »Hat er dir beschrieben, was passiert, wenn er versucht, sich dem Fluch zu widersetzen?«
    »Das kann er nicht. Er sagt, dazu hatte er nie die Kraft. Es ist, sagt er, als wäre er ein gut abgerichteter Hund geworden. Auch falls er sich morgen wieder an deinen Tisch setzen und sein Hunger groß sein sollte, würden seine Hände auf seinem Schoß verharren und sich weigern, auch nur einen Bissen zu seinen Lippen zu heben. Und wenn er sich noch so müde auf das weicheste Bett fallen ließe, wäre es ihm lediglich das erste Mal möglich, sich darin auszuruhen. Danach würde er sich die ganze Nacht herumwälzen, bis die Erschöpfung ihn dazu triebe, sich auf dem Boden auszustrecken. Er muß die vornehmsten und niedrigsten Arten von Unterkünften meiden, sagt er. Erstere, weil die Reichen gern Antiquitäten kaufen; die letzteren, weil die Armen meist altes, durch viele Hände gegangenes Mobiliar haben, das sie geerbt oder geschenkt bekommen oder aus leerstehenden Häusern geplündert haben. Dieser geschnitzte Tisch hier könnte einer sein, an dem er vor Jahrhunderten aß, dieser Roßhaardiwan wurde vielleicht bereits anderswo benutzt. Der Fluch wirkt selbst in so großem zeitlichen und räumlichen Abstand. Er hungert, seine Lider schwellen durch Schlafmangel an, bis er umherwandert und erschöpft zu Boden fällt.«
    »Wie lebt er? Welchen Beruf kann er ausüben?« erkundigte sich Melilot.
    Jarveena zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, wenn alles andere versagt, muß er rauben. Aber es gibt Arbeiten, die auch ein Wanderer ausführen kann. Er fährt viel zur See; manchmal verdingt er sich als Karawanenwächter; aus Andeutungen schließe ich, daß er auch schon Kurier für Geheimschreiben war. Natürlich kann er nicht lange auf derselben Route bleiben.«
    »Natürlich«, murmelte Melilot trocken und mußte ein neuerliches Gähnen unterdrücken. »Nun, meine teure Jarveena, wenn dir das ein Trost ist, versichere ich dir, daß du wahrlich mein Mitgefühl geweckt hast. Dein farbiges Bild seines unerträglichen Daseins würde selbst ein steinernes Herz erweichen - was meines nicht ist, wie du weißt. Hoffen wir beide, um euretwillen, daß ihn Enas Yorl morgen von dem Fluch befreien kann. Geh jetzt und sage deinem Freund, ich wünsche ihm, daß er sich eines tiefen Schlafes in meinem Gästegemach erfreuen kann und daß ich bedauere, daß es bei der einen Nacht bleiben muß. Hinterlaß mir deinen Bericht und die Abrechnungen, damit ich sie durchsehen kann, während ihr bei dem Zauberer seid.« »Du wirst feststellen, daß sie alle in Ordnung sind.«
    »Sind sie das nicht immer?«
    »Selbstverständlich. Wie hätte ich sonst so lange für dich arbeiten können?« Lachend stand sie auf, um das Gemach zu verlassen. Als sie an seinem Sessel vorbeikam, beugte sie sich vor und hauchte ihm einen Kuß auf den barbierten Schädel.
    »Danke, daß du Klikitach zu bleiben gestattet hast. Bestimmt genießt er nicht oft solchen Luxus.«
    Da entgegnete Melilot: »Ich habe nicht bemerkt, daß er ihn genossen hätte.«
    Dieser kleine Scherz begleitete ihn zufrieden zu Bett.
    Beim Aufwachen wurde sich Jarveena abrupt bewußt, daß sich außer Klikitach noch jemand in der Nähe befand. Angespannt tastete sie unter ihrem Kopfkissen nach dem Messer, das sie stets in Reichweite hatte.
    Es war nicht da! Genausowenig wie das Kopfkissen!
    Sie fuhr hoch und riß erschrocken die Augen auf. Melilots Gästegemach war verschwunden. Dies hier war ein völlig anderer Raum: ein langer Saal mit niedriger Decke und kahlen Steinwänden. Klikitach lag neben ihr auf einer weich gepolsterten Liegebank. Die Luft war angenehm warm und duftete nach getrockneten Krautern, die auf ein Kohlenbecken gestreut waren.
    Auf sie blickte ein hochgewachsener und sehr gut aussehender junger

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