Im Herzen Des Lichts
Schüsseln voll dampfender Fleischbrühe neben Kelchen mit lieblichem Wein. Nachdem er sich auf einem hochlehnigen Stuhl niedergelassen hatte, sagte Enas Yorl, als fiele es ihm jetzt erst ein: »Oh - bekleide meine Besucher.«
Unsichtbare Hände hüllten Jarveena in ein Seidengewand und banden sogar die dazugehörende Schärpe. Sie schaute nach Klikitach und sah, wie ein Kittel aus ungebleichter Wolle, fast so grob gewebt wie ein Sack, über ihn gezogen wurde, ohne daß sich seine unbequeme Stellung änderte.
»Ihr wollt ihn nicht zu uns an den Tisch bitten?«
»Er verspürt weder Hunger noch Durst«, antwortete der Zauberer. »Außerdem könnte es sich als vorteilhaft erweisen, seine Zunge auf normale Weise zu lösen, wie Melilot es vergangene Nacht mit wenig Erfolg versuchte. Und wie könnte ich das, wenn er bereits an meinem Tisch gegessen hat?«
»Aber gewiß .«, begann sie, dann kniff sie die Lippen zusammen.
»Du wolltest sagen, du hast solches Vertrauen in meine Fähigkeiten, daß du überzeugt bist, ich kann ihn noch vor Anbruch der Nacht von seinem Fluch befreien. Doch wenn, wird das zweifellos sein Tod sein - hast du das auch bedacht? Aber der Ausgang ist keineswegs sicher. Komm, setz dich zu mir. Trinken wir auf deine Rückkehr.«
Sie gehorchte, da sie gar keine andere Wahl hatte. Der Wein des Zauberers war süperb, wie eh und je - damit verglichen war Melilots bester sauer wie Essig.
Auch das Essen war vortrefflich, doch sie stellte fest, daß sie keinen Appetit hatte, während Enas Yorl es sich schmecken ließ. Er hatte einmal durchblicken lassen, daß Zauberei eine ermüdende Sache war, die den Ausübenden mindestens ebensoviel Kraft kostete wie jegliche Art gewöhnlicher harter Arbeit. Eine Weile lenkte die Art und Weise, wie sein Gesicht und vermummter Körper sich ständig verwandelten, Jarveena ab.
Schließlich konnte sie sich nicht mehr halten. Sie platzte hinaus: »Alter Freund - wenn ich Euch so nennen darf -, wie kam es, daß Ihr Euch für Klikitach interessiert?«
»Alter Freund?« Enas Yorl wischte sich nun Lippen ab, die breiter und flacher waren als zuvor, unter einer Nase, die breiter und flacher und von jetzt buschigen Brauen gekrönt war. »Es gibt wenige, die mir so freundlich gesonnen sind, daß sie mich überhaupt Freund nennen - und das ist natürlich gewollt! Trotzdem habe ich nichts gegen deine Wortwahl einzuwenden!« Er lachte rauh und leerte seinen Kelch.
»Du sollst wissen, daß es sehr gegen meinen Willen war. Ich hüte mich vor sentimentalen Beziehungen, da sie mich an diese Welt binden können, und hoffe, daß ich bald selbst durch den Tod befreit werden kann. Ich möchte die Gelegenheit nicht dadurch verpassen, daß es mir schwerfallen könnte, jemanden oder etwas zurückzulassen.« Er sprach seltsam stockend, als beichte er etwas, dessen er sich schämte.
»Trotzdem habe ich mir eine gewisse Bindung zu dir gestattet. Ich gebe zu, sie hat ein wenig mit Sinnlichkeit zu tun, doch davon abgesehen, ziehe ich es vor, sie auf einer Ebene, sagen wir, respektvoller Bewunderung zu halten. Wenigen, die so viel Grund haben, ihr Leben der Rache zu widmen, gelingt es, sich von dieser Besessenheit zu befreien. Du hast es geschafft!«
»Weil der Geschmack von Rache gar nicht süß ist«, entgegnete Jarveena. »Sie wandelte sich in meinem Mund zu Asche.«
»Trotzdem. Aber kommen wir zur Sache zurück. Als ich wahrnahm, daß du dich mit einem Gefährten zusammengetan hast, freute ich mich sehr. Ich beobachte dich manchmal in meiner Kristallkugel, weißt du.«
»Das wußte ich nicht!« erwiderte sie bestürzt. »Ich weiß nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen soll, oder. Schon gut! Fahrt fort!«
»Wie ich sagte, ich freute mich sehr, weil ich hoffte, unsere Bindung würde dadurch geschwächt. Doch trotz meiner besten Absichten wurde ich neugierig, was ihn betraf. Was ist das für ein Mann, fragte ich mich, der die wilde, starrköpfige Jarveena für sich gewinnen kann? Unweigerlich war ich von dem Moment an, als ich es herausfand, gefesselt.«
»Ich verstehe nicht. Oh!« Jarveena stützte die Ellbogen auf den Tisch; beide Hände hatte sie um den Kelch gelegt. »Wenn er wirklich unschuldig ist, muß sein Fluch stärker sein als jener, der Euch so quält. Gelingt es Euch, seinen zu brechen, findet Ihr vielleicht auch die Möglichkeit, Euch von Eurem zu befreien.«
»Wüßte ich nicht, daß du in dieser Hinsicht völlig unbegabt bist, würde ich meinen, daß du meine Gedanken
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