Im Herzen Des Lichts
liest.«
Eine Zeitlang schwiegen beide. Schließlich blickte ihm Jarveena fest in die nichtmenschlichen Augen.
»Was werdet Ihr tun?«
»Ich habe bereits begonnen. Du kannst nicht wissen, welcher Tag heute ist; der Kalender, der ihn anzeigt, wird schon lange nicht mehr benutzt. Aber es war notwendig, daß du und er jetzt hierherkommen, nicht gestern und nicht morgen. Sonst hätte man wieder ein Vierteljahr warten müssen.«
»Ihr habt den Wind beschworen, der unser Schiff aufhielt!«
»Es war unumgänglich.«
»Dann müßt Ihr glauben, daß eine Chance besteht!«
»Klikitach zu erlösen? Vielleicht. Zunächst jedoch muß ich den Grund für den Fluch herausfinden.«
»Aber Ihr habt doch selbst gesagt, daß er ihn nicht kennt! Wie also.«
»Warte!« Der Zauberer hob eine Hand, die nicht mehr zum Äußeren des gutaussehenden Jünglings gepaßt hätte. »Ich sagte, daß er ehrlich glaubt, dieser Fluch sei ihm ungerechterweise auferlegt worden. Das heißt nicht, daß es keinen Grund dafür gab. Ich versichere dir, auch vor tausend Jahren hätte niemand sich grundlos eine solche Arbeit gemacht. Klikitach ist vielleicht wahrhaftig unschuldig; und wenn, hat jener, der dieses Verbrechen gegen ihn verübt hat, für eine große Schuld zu büßen. Oder die Nachfahren jener, die durch dieses Verbrechen profitierten.«
»Aber er muß unschuldig sein! Schließlich hat er es geschworen, bei. Aber ich vergeude meinen Atem. Ihr wißt es gewiß bereits.«
»Allerdings. Das ist vielleicht der erstaunlichste Umstand dieser Sache.«
Enas Yorl erhob sich. »Nun muß ich an die Arbeit. Zeit ist kostbar.«
»Darf ich warten? Kann ich Euch helfen?«
»Nein. Du wirst jetzt deinen eigenen Geschäften nachgehen. Bald steht Melilot auf und wird es kaum erwarten können, sich mit dir über deine letzten Reisen zu unterhalten. Er wird es vorziehen, Klikitach mit keiner Silbe zu erwähnen, und du wirst nicht weiter an den Mann denken, außer vielleicht in der Hoffnung, daß ich ihn retten kann. Bis Sonnenuntergang. In dem Augenblick, da die Sonne den Horizont erreicht, darfst du hierher zurückkommen. Nimm den Eingang an der Prytanisstraße und sprich die Basilisken beim Namen an - ich werde dich lehren wie -, dann lassen sie dich ein. Wenn die Arbeit bei Anbruch der Dunkelheit nicht beendet ist, ist alles umsonst.«
»Aber diese Wintertage sind so kurz!« rief Jarveena.
»Eben deshalb mußt du jetzt gehen. Bis zum Morgengrauen fehlt keine volle Stunde mehr. Geh jetzt! Nein, warte! Da ist noch etwas.«
Sie drehte sich um. »Ja?«
»Du brauchst die übliche Gebühr diesmal nicht zu entrichten. Heb sie für die letzte Behandlung deiner Narben auf. Mir genügt, daß du mir die größte Herausforderung in meinem trostlosen Leben seit langer Zeit verschafft hast, überhaupt die erste, die ein wenig Hoffnung für mich verspricht. Und jetzt fort mit dir!«
Und sie war fort, mitten im Wort.
Alles geschah wie erwartet. Jarveena verbrachte den Vormittag mit Melilot, gönnte sich ein rasches Mittagsmahl und begab sich am Nachmittag zum Hafen, wo die Ware, die sie mit Melilots Geld beschafft hatte, bereits ausgeladen war und in ordentlichen Stapeln abholbereit stand: hier Stoffballen, dort Fässer mit Wein und Öl, daneben Gewürze in kleinen hübschen Truhen, die, wenn sie leer waren, ebenfalls einen guten Preis einbringen würden. Eine bestimmte Menge war für sie zur Seite gestellt, für das übrige bezahlte Melilot ihr eine gute Provision. Früher einmal hatte er vielleicht daran gedacht, sie übers Ohr zu hauen, so, wie er gewohnt war, jeden anderen übers Ohr zu hauen, doch das hatte ihre Freundschaft mit dem mächtigen Zauberer Enas Yorl verhindert. Außerdem war da noch ein Vorteil: Was Jarveena oder irgendein anderer Partner Enas Yorls am Kai stehen hatte, ehe es in ein bewachtes Lagerhaus gebracht wurde, stahl niemand. Oder versuchte es zumindest nur einmal.
»Also, damit wären wir für heute mit dem Geschäftlichen fertig«, sagte Melilot erfreut und gab einem wartenden Lehrling Warenbuch und Abrechnungen. »Und es ist noch nicht einmal Sonnenuntergang. Jetzt habe ich Durst. Wollen wir uns einen Schluck in der Bierstube gönnen? Natürlich nur, wenn du nicht in Eile bist, dich um deinen Freund zu kümmern und ein anderes Nachtquartier für ihn zu suchen.«
Klikitach!
Jarveena schlug die Hand auf die Stirn. Wie war das nur möglich? Den ganzen Tag, seit sie bei Melilot zurück war, hatte sie an nichts anderes als an
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