Im Herzen Rein
Untersuchungsgefängnis sitzen. Sicher haben Sie Frau Mendel überprüfen lassen.«
Paula nickte.
»Aber wie Sie sie mir beschrieben haben, wäre sie zu dieser Tat nicht imstande und wohl auch nicht bereit. Auch nicht, um ihren Mann zu retten.«
Chris hatte ihren Kollegen Neuenfeld gesehen und sich zu ihm durchgearbeitet. Er stand an der Bar, und als sie ihn erreichte, schob er ihr lächelnd sein Glas hin.
»Wie sind Sie denn hereingekommen?« fragte sie ihn.
»Das ist mein Geheimnis. Aber kein Geheimnis mache ich daraus, dass dieser gefeierte Künstler geschmacklich voll danebenliegt, wenn er mit Mordfällen das Interesse an seinen Arbeiten anzuheizen sucht.«
Chris konnte dazu nichts sagen, weil sie die Rede verpasst hatte. Doch Neuenfeld schien keine Antwort zu erwarten und redete unverdrossen weiter. Einige Leute hatten angefangen zu tanzen, und jetzt meldete sich auch DJ Hell. Chris’ Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, Heiliger irgendwo zu entdecken. Sie wollte nicht glauben, dass er schon gegangen war. Sie hätte ihm sagen sollen, dass sie kommen würde.
»Und von wem haben Sie Ihre Karte erhalten?«, wollte Neuenfeld gerade wissen.
»Ich bin zusammen mit der Leiterin der Mordkommission hineingekommen. Sie lebt mit einem Maler zusammen, der mit Heiliger mehr oder weniger befreundet ist.«
Neuenfeld schaute immer wieder zur Tanzfläche hinüber, und sie ahnte, dass er gleich fragen würde, ob sie Lust habe zu tanzen. Als er eine Bemerkung über die gute Musik machte, surrte ihr Handy. Heiliger. Es war schwierig, ihn zu verstehen, weil es so laut war.
»Ich bin in der Präsidentensuite im Adlon . Komm doch auf einen Drink hoch. Ich hole dich vom Fahrstuhl in der Tiefgarage ab, der fährt direkt in die Suite.«
Nun würde sie ihn doch noch sehen. Es kribbelte in ihrem Bauch. Sie verabschiedete sich von Neuenfeld, verließ das Felix, lief wenige Meter die Straße entlang und ging dann hinunter in die Tiefgarage. Das Neonlicht sprang an und flackerte über den Boden. Wie begierig sie auch eben noch auf die Begegnung war, jetzt war ihr unheimlich. Sie hatte das Gefühl, jemand beobachtete sie. Sie wollte umkehren, da schoss ihr aber ein Erlebnis ihrer Kindheit durch den Kopf: Ihre Brüder hatten sie ausgelacht, als sie bei einem Geräusch aus dem Keller geflohen war. Sie gab sich einen Ruck und ging weiter.
Plötzlich setzte ein Rauschen ein. Erschrocken blieb sie stehen, um sich zu orientieren. Es war die Entlüftungsanlage, die angesprungen war. Sie ging zögerlich weiter über das abgeschliffene Gummi der Bremsspuren auf dem hellen Beton. Sie hielt sich dicht an der Wand, und ihr wurde klar, dass niemand da war, der ihr hätte helfen können. Sie spürte die Angst im Nacken und lauschte auf das kleinste Geräusch oder Anzeichen einer Bewegung hinter einem der geparkten Wagen. Sie drehte sich um, ob ihr jemand folgte. Aber da war niemand.
Es wusste auch nur Josef Heiliger, dass sie hier war. Ein Porsche fuhr mit quietschenden Reifen so dicht an ihr vorbei, dass sie zusammenzuckte. Sie lehnte sich gegen einen Mercedes und wartete, bis ihr Puls wieder langsamer wurde.
Hätte Heiliger ihr nicht genauer sagen können, wo sich dieser Fahrstuhl befand? Sie wollte schon zurückgehen, da entdeckte sie hinter einem VW-Bus die Fahrstuhltür. Sie öffnete sich gerade - sicher Heiliger, der sie abholen wollte. Sie lief schnell hin, aber der Fahrstuhl war leer. Ein wenig außer Atem betrat sie ihn und wartete, dass Heiliger auftauchte. Dabei fiel ihr Blick auf ein Foto am Boden. Sie bückte sich, um es aufzuheben, und bemerkte einen komischen Geruch. Ihr wurde schwindlig. Sie nahm schnell das Foto auf. Es war die Vergrößerung des Fotos, das in dem Medaillon gesteckt hatte: die Frau im blauen Kleid auf der Parkbank mit ihrem Kopf. Sie wollte schreien, doch ihr wurde plötzlich schwarz vor Augen. Sie bekam noch mit, dass sie hinfiel und die Fahrstuhltür ihre Beine einklemmte.
49
Paula fuhr hoch und lauschte. Auf ihrem Nachttischwecker war es 5.38 Uhr. Sie hatte aus der Küche ein Miauen gehört. Sie sah zu Ralf hinüber, doch der schlief fest. Mit schnellem Griff unters Kopfkissen nahm sie ihre Waffe und entsicherte sie.
Vorsichtig zog sie die angelehnte Schlafzimmertür auf und schlich auf den Flur. Dann schob sie die Küchentür weit auf, um sicherzugehen, dass sich niemand dahinter verbarg. Die Küche lag im grauen Morgenlicht. Sie war ungewöhnlich aufgeräumt - das Ergebnis der ordentlichen Arbeit
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