Im Herzen Rein
Vielleicht hat er ihr ein Mittel gespritzt.«
»Ja, irgendetwas ist da.«
Scholli stimmte zu. »Unheimlich.«
50
Marius saß auf dem Beifahrersitz und referierte. »Josef Heiliger ist sechsundvierzig Jahre alt, geboren am 17. Februar, also Wassermann, was du ja immer wissen möchtest. Eins vierundachtzig groß, in Oberhausen aufgewachsen, der Vater war Bergmann, die Mutter Hausfrau. Mit sechzehn ist er zu Hause rausgeflogen. Wahrscheinlich stärkte das seine Entschlossenheit, Erfolg zu haben und sich damit am Vater zu rächen. Gestern soll er triumphal im Pei-Bau gefeiert worden sein. Ob er seinen Vater wohl eingeladen hatte?«
Paula musste an der Ampel halten.
Diese Informationen hatte sie nicht im Internet gefunden. »Woher weißt du das alles?«
»Ich habe mich informiert. Er ist ein Künstler, der gerade viel Aufsehen erregt, da dachte ich -«
»Du bist Gold wert. Hast du noch was rausgefunden?«
»Mit siebzehn ging er nach Paris. Die Tage verbrachte er in Galerien, nachts schlief er im Park. Er lernte eine reiche Pianistin und Kunstkennerin kennen, die sich seiner annahm. In dieser Zeit entdeckte er das Bild, das einen entscheidenden Einfluss auf ihn gehabt hat: ein Gemälde von Poussin - eine Mutter, die verzweifelt versucht, einen Soldaten daran zu hindern, ihr Kind mit dem Schwert zu töten. Immer wieder spricht er in den Interviews von dem zum Schrei geöffneten Mund. Für ihn ist es der beeindruckendste Schrei, der je gemalt wurde.«
»Ich kenne nur den Schrei von Munch. Ein Ausdruck tiefer Not, in dem der Mensch sich nicht vom Tier unterscheidet.«
»Tier - du meinst, mit alldem ist Heiliger nah an Bachs Profil von dem Mörder?«
»Bach hat eine Alternative zur Bestie gezeichnet - den vor Ehrgeiz wahnsinnigen Künstler.«
Im Durchgang zum Hinterhof, wo Heiligers Atelier in einem Fabrikgebäude war, wartete schon der Schlüsseldienst.
»Ich habe ihn bestellt«, sagte Marius, »weil er nach seiner Riesenparty gestern bestimmt noch nicht arbeitet.«
Paula nickte. »Aber er wohnt doch im Vorderhaus. Da willst du nicht klingeln?«
»Wozu? Wir haben einen Durchsuchungsbefehl.«
Paula war nicht ganz einverstanden, ließ sich aber darauf ein. Ein verschlafener und ruppiger Heiliger würde nur aufhalten. Sie gab den Auftrag zum Öffnen.
Dann betraten sie das große Atelier.
Paula drehte sich langsam im Kreis, um noch einmal einen Überblick zu gewinnen. Alles war so wie bei ihrem ersten Besuch.
Sie öffnete eine Tür und trat in eine zweite, ebenso große Halle. Dort standen Teile von Installationen herum, Tische mit Farben und Werkzeugen. An den Wänden hingen Fotos, gezeichnete und gemalte Skizzen. Quer über die Decke lief ein Flaschenzug. Marius drückte auf ein Schaltbrett, Scheinwerfer flammten auf und tauchten alles in weißes Licht. Zugleich erklang aus einer Surround-Anlage Musik. Marius warf einen Blick auf das Display. »Philipp Glass«, sagte er.
»Meinst du, wir schaffen das, oder soll ich noch Leute anfordern?«
Marius zuckte die Achseln. »Wir können es ja erst mal versuchen.«
»Wie findest du das alles?«
Marius schaute sich konzentriert um. »Am interessantesten finde ich den Spruch Nummer drei auf der Papierwand in der anderen Halle. Von Luzifer. Dem Stärksten wird der Adel Luzifers verliehen . Das scheint sein Programm zu sein.«
»Dann lass uns mal anfangen.«
Der Mann vom Schlüsseldienst fragte, ob sie ihn noch bräuchten. Paula sah einen großen Stahlschrank an der Stirnseite des zweiten Raumes und bat ihn, den auch noch zu öffnen.
Er machte ein bedenkliches Gesicht, aber er schaffte es.
Paula trat näher und warf einen Blick hinein. Wie Kleider waren zwei riesige Fotos an Stahlschienen aufgehängt. Sie ließen sich herausziehen. Auf dem ersten Foto saß Silvia Arndt auf der Parkbank und auf dem zweiten Foto Johanna Frenzi im Kinosessel, einen Schuh auf der Lehne vom Vordersitz. Beide Vergrößerungen waren so riesig, dass sie die abgebildeten Frauen in Lebensgröße zeigten.
»Woher hat er denn Johanna Frenzi? Die Presse durfte nicht ins Kino, und es gab kein Foto davon in der Öffentlichkeit.«
Sie waren sprachlos. »Wir können ihm seine schwangere Freundin noch dazuhängen«, sagte Marius bissig.
Paula holte Schollis Farbdruck aus der Mappe. »Ich habe sie hier, nur nicht so groß.«
Als der Schlüsselmann die andere Flügeltür des Schrankes öffnete, starrten Paula und Marius auf drei blaue Kleider, wie sie die Opfer trugen. Er hatte noch drei
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