Im Herzen Rein
erinnerte sich und spürte, wie ihre Halsschlagader pochte. Als sie noch zwei Schritte näher ging, blieb sie geschockt stehen, denn sie kannte die Tote. Es war Antonia, die Freundin von Heiliger. Sie trug das gleiche blaue Kleid wie die anderen.
Paula musste Chris erreichen, sie wollte ihr die Nachricht möglichst schonend beibringen. Der Killer folgte zweifellos ihren Spuren. Als Chris sich wieder nicht meldete, rief sie den Großen Lagedienst an und bat, mit Frau Dr. Gregors Vertretung verbunden zu werden. Jetzt musste gehandelt werden.
Im nächsten Moment hatte sie Staatsanwalt Neuenfeld am Apparat. Paula teilte ihm mit, dass Frau Gregor krank sei, sie aber dringend einen Hausdurchsuchungsbefehl für eine Wohnung und ein Atelier brauche und ihn bitte, das gleich zu erledigen. Sie gab ihm die Namen Antonia Hartmann und Josef Heiliger durch, weil die Ermordete an beiden Adressen gelebt habe. Neuenfeld versprach, mit dem unterzeichneten Beschluss in einer halben Stunde bei ihr zu sein.
Jetzt traf ihr Team ein. Die Polizei hielt die Menge der Journalisten strikt hinter der Absperrung. Der Fall war die Sensation. Auch überregionale und internationale Teams wollten Fotos von der neuen schönen Toten. Viele Neugierige standen herum.
Scholli tauchte neben ihr auf. »Wahnsinn. Das ist der Wahnsinn«, murmelte er und schoss die Ermittlungsfotos so, als handelte es sich um ein Model, das zurechtgemacht auf einem berühmten Platz der deutschen Hauptstadt säße. Als er fertig war, wandte er sich wie ein Modefotograf an Paula: »Möchtest du auch noch eine andere Pose?« Paula war nicht nach Scherzen und blaffte ihn an.
»Das gleiche Blau. Genau das gleiche Kleid«, stellte er ungerührt fest.
»Sieht so aus.« Paula hörte ihre Stimme wie aus der Ferne. »Ich brauche einen Farbausdruck. Möglichst schnell.«
Scholli nickte. »In einer Stunde bin ich zurück.«
Durch die Berichterstattung in den Medien war für Paula zusätzlicher Druck entstanden. Als Mendel verhaftet wurde, richtete sich dieser Druck gegen ihn. Doch jetzt würden die Medien mit Wucht auf sie einschlagen und sie anklagen, den Falschen verhaftet zu haben.
Sie war betroffen von der Kühnheit des Täters, der immer näher rückte und seine Provokation steigerte. Der Mörder spielte Katz und Maus mit ihnen. Paula hatte über die Barbiepuppe strenges Schweigen verhängt und auch über ihren ermordeten Kater. Das Foto aus ihrem Briefkasten heute früh würde sie ebenfalls nicht an die Presse weitergeben. Ob diese Dinge der Öffentlichkeit präsentiert werden sollten, das würde sie nach dieser dritten Toten nur noch in Absprache mit Bach entscheiden. Nur als proaktive Maßnahme in seinem Sinne: um den Täter zu einer unüberlegten Handlung zu provozieren. Dabei gestand sie sich ein, dass Bach nach diesem dritten Mord bei ihr rehabilitiert war. Er hatte sich nicht geirrt.
Sie ging einmal um den Brunnen herum und stellte sich wieder vor die Tote. In ihrer Erinnerung hörte sie sie sagen: Nennen Sie mich Toni, wie die anderen.
»Was stehst du hier so versunken?« Marius berührte ihren Arm.
Sie zuckte zurück. Toni war ihr so jung erschienen, so unantastbar - auch in ihrer Schwangerschaft.
Sie war wütend auf diesen Irren, den sie nicht greifen konnte.
Ihr fiel Mendel ein, der so sicher gewesen war, bald entlassen zu werden.
»Ich kenne diese Ecke hier«, sagte Marius. »Ich nehme an, er hat sie vor sechs hergebracht, sonst würde es Zeugen geben.«
Paula wusste, dass Marius sie mit seiner nüchternen Betrachtung ablenken und beruhigen wollte. Sie drückte wortlos seinen Arm und ging hinüber zu Staatsanwalt Neuenfeld, der über die Absperrung stieg. »Danke, dass Sie so schnell reagiert haben«, begrüßte sie ihn. »Es ist wieder der gleiche Fall: eine Inszenierung mit blauem Kleid. Beantragen Sie die Obduktion.«
»Wird gemacht.«
»Und wenn noch etwas ist?«
»Kein Problem, ich bin jederzeit erreichbar.« Er gab ihr seine Handynummer.
Sie sah Scholli zurückkommen und sagte zu Neuenfeld:
»Dann fahre ich jetzt zur Hausdurchsuchung.« Sie bat Marius, sie zu begleiten.
Scholli hielt ihr den Farbausdruck hin. Das Foto hatte eine starke Wirkung auf sie, denn auf dem Bild sah die Tote noch natürlicher aus als am Brunnenrand. Und dabei ging etwas Seltsames von ihr aus.
Sie tippte auf das Foto. »Strange. Oder?«
Scholli nickte. »Es sind die Augen.«
Paula überlegte. »Sind sie zu weit auf?«
Scholli sah genau hin. »Ja, könnte sein.
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