Im Herzen Rein
großzügig Champagnergläser herumgereicht wurden. Sie hätte sich innerhalb von Minuten betrinken können.
Später ging ein Raunen durch die Menge. Heiliger, jetzt mit kurz geschorenem Haar, erschien oben auf der Treppe. Ein Spotlight erfasste ihn, und er stieg langsam, Schritt für Schritt, in einen schwarzen Anzug gekleidet, die Stufen herunter - eine wirkungsvolle Inszenierung. Hinter ihr sagte jemand: »Er will Magier der Medien sein und ist doch nur ein Abkassierer.« Auf der Mitte der Treppe blieb er stehen, nahm das Mikrofon und sprach im Stakkato die Worte: »Durch Einseifen, Polieren und Abschleifen vertreibt ihr den Tod aus dem Leben.« Über die Lautsprecher kam ein Bläsersatz, und Heiliger sprach weiter: »Ihr beraubt uns der Lebendigkeit. Ich bringe sie mahnend zurück - auf einer Parkbank Tauben fütternd, und im Kino neben euch sitzend. Es gibt kein Leben ohne den Tod. Nur wer den Tod achtet, achtet auch das Leben.« Wieder der Bläsersatz.
Paula war schockiert und wütend. Sie wollte nicht länger Teil dieser Inszenierung sein. Sie drehte sich um und stand Bach gegenüber. »Wo kommen Sie denn her?«, fragte sie überrascht.
»Ich habe einen Vortrag gehalten und bin jetzt erst gekommen.«
»Ich will gerade gehen. Ich habe einen harten Tag hinter mir, und der Trubel geht mir auf den Geist.«
Er fragte nach ihrem anstrengenden Tag, und sie erzählte vom Einbruch in ihre Wohnung und von der Hinrichtung ihres Katers. Es war so laut, dass sie sich kaum verstehen konnten. Er schlug vor, einen stilleren Platz zu suchen, und nahm sie an die Hand.
Nach ein paar Schritten bat er sie, auf ihn zu warten, er komme allein besser durch und hole sie ab, wenn er ein geeignetes Plätzchen gefunden habe. Sie sah auf die Uhr: Es war zehn. Sie hatte sich vorgenommen, spätestens um halb zwölf zu gehen.
Sie sah, wie Antonia versuchte, sich durch die Menge zum Ausgang zu arbeiten. Ihr Gesicht war bleich. Paula konnte nicht verstehen, dass sie sich in ihrem Zustand solchen Anstrengungen aussetzte. Sie hatte den Impuls, ihr zu helfen, doch da tauchte Ralf schon neben ihr auf und bahnte ihr den Weg. Paula kniff die Augen zusammen, die beiden schienen sich gut zu verstehen. Im nächsten Moment wurden sie von einer Gruppe von Gästen verdeckt, die in die Gegenrichtung zog. Neben ihr tauchte Chris auf. Sie trug jetzt ein schwarzes Wickelkleid.
»Du warst ja zu Hause und hast dich umgezogen«, sagte Paula vorwurfsvoll.
Chris nickte. »Ich war so verschwitzt.«
»Hast du Heiligers Rede gehört?«
Chris schüttelte den Kopf. »Ich bin gerade reingekommen.«
»Da hast du was verpasst. Das war unglaublich. Erzähl ich dir morgen. Ich warte hier auf Bach.«
Sie hielt Ausschau nach ihm und sah, wie sich das Mädchen mit dem Getränketablett geschickt durch die Menge schlängelte. Sie sah Bach winken. Chris war schon wieder verschwunden. Bach schob ein paar Leute zur Seite, damit Paula leichter durchkommen konnte. Dann fiel sie ihm fast in die Arme, weil sie geschubst wurde. Er lachte. »Kommen Sie, ich habe einen stillen Seitenflur gefunden.«
Es war ein Platz in einer Nische, wo es nicht so laut war.
»Haben Sie die Rede von diesem großartigen Künstler gehört?«, fragte Paula.
Bach verzog sein Gesicht, als habe er auf etwas Saures gebissen. »Wollen Sie ein Geständnis darin sehen?«
Paula setzte ihr Glas ab. »Keine Ahnung, was ich darin sehen kann. Es war ungeheuerlich. Dieser Mann hat sich auf unsere Morde bezogen. Oder sehen Sie das anders?«
»Ich nehme an, dass er eine Arbeit vorbereitet, in dessen Mittelpunkt er Silvia Arndt und Johanna Frenzi stellt. Es war wie eine Ankündigung. Er ist ein ausgefuchster Marketingstratege. Das macht heutzutage ja einen großen Künstler aus, oder?«
Seine Worte beruhigten sie. »Mir ist noch nie so klar geworden wie heute, dass ich ein konservativer Mensch bin.«
Er lachte und prostete ihr zu. »Die Sache mit Ihrer Katze tut mir leid.«
Sie erzählte ihm die Geschichte ausführlich und beantwortete seine Fragen. Schließlich fragte sie: »Meinen Sie, es war tatsächlich unser Killer, der in meiner Wohnung war?«
Er überlegte so lange, dass sie schon dachte, er würde keine Schlussfolgerung wagen.
Dann sagte er: »Der Mörder von Silvia Arndt und Johanna Frenzi war in Ihrer Wohnung. Man könnte tatsächlich denken, es war eine Aktion, die Mendels Unschuld beweisen sollte, denn wenn der Täter draußen eine Katze tötet, kann er nicht zugleich im
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