Im Herzen Rein
in einer sitzenden Position, linker Arm im Schoß liegend, rechter Arm abgewinkelt und leicht vorgestreckt - wie zum Füttern von Vögeln. Die blau-violetten Leichenflecke zeichnen sich besonders kräftig entlang der unteren Körperhälfte und der beiden Beine ab.« Er drückte auf die Stellen. »Die Flecke können mit kräftigem Fingerspitzendruck gerade noch weggedrückt werden. - An beiden Handgelenken lassen sich deutlich Fesselungsspuren feststellen. Man sieht jeweils 0,4 Zentimeter breite zirkulär um das Handgelenk laufende Hautrötungszonen, zum Teil mit oberflächlicher Hautabschürfung. Besonders deutlich sind die Markierungen ellenwärts und speichenwärts. Am linken Handgelenk befinden sich zwei ebensolche Marken, die sich überkreuzen.« Er machte seinem Kollegen ein Zeichen. »Von beiden Handgelenken werden Tupferabstriche und Klebefolien asserviert.«
Dr. Weinert begann zu tupfen und zu kleben. Posch deutete auf die Fußgelenke, die Scholli daraufhin fotografierte.
»Diese Fotos möchte ich bitte mit Maßstab haben«, sagte Posch und setzte sein Diktat fort: »Ähnliche Fesselungsmarken befinden sich auch beidseits in der Knöchelregion.« Dann wandte er sich der linken Brust zu. »Auf der linken Brustwarze sitzt eine erbsengroße rote Glasperle. Sie ist der Kopf einer langen Stahlnadel, die herausgezogen«, langsam zog er die Nadel heraus und hielt sie dem Kollegen hin, der mit dem Schieber die Länge maß, »neunzehn Zentimeter misst. Verkrustetes Blut am Rand des nun freien Einstichkanals.«
Posch warf einen Blick auf die immer noch mit angezogenen Beinen daliegende Tote. Er wandte sich an Weinert. »Bringen wir sie in Position für eine gynäkologische Untersuchung.«
»Sollen wir die Leichenstarre brechen?«
Posch nickte. »Ihre Muskulatur ist gut entwickelt, wahrscheinlich hat sie Sport getrieben.«
Wenk ging zum Fußende des Tisches. Während Posch das Becken festhielt, packte er den linken Oberschenkel mit beiden Händen und versuchte mit aller Kraft, das Hüftgelenk zu beugen. Das gewaltsame Zerreißen erstarrter Muskelfasern war offenbar nicht so einfach, denn Dr. Weinert trat hinzu, fasste mit beiden Händen das andere Knie und bedeutete Wenk, er solle das Gleiche ihm gegenüber tun. Dann zogen sie beide die Knie auseinander, und man hörte, wie das Muskelgewebe riss.
Chris ging zu dem Stuhl in ihrer Nähe und setzte sich. Sie dachte an einen Fall in ihrer vorigen Abteilung, bei dem sie einen Ehemann angeklagt hatte, der sich gewaltvoll an seiner Frau vergangen hatte, wobei ihr auch Muskelgewebe zerrissen worden war. Die hier ist jetzt wenigstens tot, dachte sie.
Weinert richtete eine Lampe auf den Genitalbereich, den Posch nun untersuchte. Genitalregion und After waren unauffällig und sauber.
»Ich sehe keine Gewebeverletzungen. Die großen und kleinen Schamlippen zeigen weder Rötung noch Abschürfung«, sagte Posch.
Er ließ den Kollegen Abstriche nehmen vom After, von den Schamlippen, vom Scheideneingang und aus dem Scheidengewölbe. Außerdem wünschte er auch einen Abstrich in der Mundhöhle und untersuchte den Kopf.
Chris ging wieder an den Tisch, um genau sehen zu können.
»Bis zu zwanzig Zentimeter lange, blonde, glatte Kopfhaare, fest haftend, glatt herabfallend.« Er durchwühlte das Haar, fand keine Schwellungen oder Verletzungen, und klopfte gegen den Kopf. »Schädel mit gleichmäßig sonorem Klopfschall.« Er tastete alles ab, sah in die Ohren und bog sie ab. »Auch die Gesichtsschädelknochen sind fest, die Gehörgänge frei, hinter den Ohren keine Verletzungen. Das Gesicht ist sorgfältig geschminkt, Rouge, Wimperntusche, rosa Lippenstift. Make-up in Beige-Braun findet sich auf Gesicht und Hals bis zum Kleidansatz sowie an den Unter- und Oberschenkeln. Eine vier Zentimeter lange Narbe, schmal wie ein Strich, verläuft vom Knöchel des Zeigefingers bis zur Mitte des Handrückens. Eine weitere Narbe findet sich rechts im Unterbauch, vier Zentimeter lang und strichförmig, vermutlich von einer Blinddarmoperation.« Dann fuhr er fort: »Silberner Nagellack auf Finger- und Fußnägeln.« Er beugte sich über den Brustkorb. »Das Sektionsmesser bitte.«
Paula sah Chris verstohlen an. Wie ging es ihr? Es war eine Sache, eine Karriere mit schnellen Beförderungen anzugehen, und eine andere, die dazugehörigen speziellen Situationen zu handhaben, wie diese hier am Leichentisch. Chris steckte in einem grünen Kittel, der für ihre schmale Statur eine Nummer zu groß
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