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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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war, sie wirkte aber nicht verloren, sondern machte einen entschlossenen Eindruck. Sie stand näher am Tisch als nötig, und Paula hätte es nicht gewundert, wenn Posch, der offensichtlich an ihr interessiert war, ihr ein Messer gereicht und sie es genommen hätte. Welchen Schnitt soll ich machen? Und er, lächelnd: Versuchen Sie es einfach. Sie wusste, dass sie einen Weg eingeschlagen hatte, auf dem sie hart um die Anerkennung der Männer kämpfen musste.
    Mit einem kurzen Blick zu Chris und Paula sagte Posch:
    »Jetzt kommen wir zum Wesentlichen.« Und dabei führte er einen kräftigen Schnitt durch - quer von Schulter zu Schulter und längs von der Drosselgrube bis zur Schamregion.
    Der Sektionsgehilfe machte gleichzeitig einen Schnitt quer über den Kopf, von Ohr zu Ohr. Dann klappte er die Kopfhaut nach vorne, und Chris sah das Gesicht der Frau wie eine Gummimaske in sich zusammenfallen. Wie viele Arten des Sterbens es gibt, dachte sie, bevor ihre Gedanken vom Geräusch der kreischenden Säge unterbrochen wurden, mit der Wenke jetzt den Schädel öffnete. Es ging ihr durch Mark und Bein. Immer wieder sah sie die Frau auf ihrer Bank sitzen und die Tauben füttern - sah sie sich selbst Tauben füttern. Sie wusste, dass Wenk jetzt das Gehirn herausnehmen würde, um es zu wiegen. Und sie dachte, dass darin die Erinnerungen des Lebens gespeichert waren. Aber nicht nur die Erinnerung an pickende Tauben, sondern auch an das Gesicht des Mörders: seine Augen, seine Lippen - und an seine Hand, die ihre Brust ergriffen hatte, und die andere, die die Nadel mit der roten Glasperle geführt hatte.
    Dr. Weinert trennte von dem großen T-förmigen Körperschnitt aus an der Bauchwand schichtweise erst das Fettgewebe ab und dann die Muskulatur. Beide Ärzte betrachteten Magen und Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse. Chris roch den Gestank des Todes, den speziellen Geruch gekühlter Organe, und ihr fiel »Das Parfum« von Süskind ein, das diesen Odor als delikate Beimischung in kostbarem Parfum pries. Sie war erstaunt, wie schön ein toter Körper von innen aussah. War diese Frau je geliebt worden?
    »Nichts Auffälliges«, sagte Posch, bevor er sich der linken Brust zuwandte. Vorsichtig folgte er dem Verlauf der Wunde und legte den Stichkanal frei. Er stellte fest, dass der Kanal von der linken Brustwarze durch das Unterhautfettgewebe und den vierten Zwischenraum der Rippen in die linke Kammer des Herzbeutels verlief.
    »Die Geflügelschere bitte.«
    Er hatte tatsächlich »Geflügelschere« gesagt, dachte Chris und beobachtete, wie Posch die Rippen zerteilte: wie bei einer Weihnachtsgans - ebenso leicht ging es. Dann stemmte er mit Weinert den Oberkörper auf. Die beiden beugten sich darüber und schauten sich die Brustorgane an. Posch trennte mit sicheren Schnitten Herz und Lungen heraus und legte die Organe in eine Metallschale.
    Als Chris das Herz in seiner Hand liegen sah, dachte sie, es ist nur noch ein Muskel, eine mechanische Pumpe, die nicht mehr funktioniert. Der süßliche Geruch wurde schärfer. Chris atmete ein, wodurch ihr übel wurde. Posch schien das bemerkt zu haben, seine Stimme klang sanfter.
    »In einem Areal von zwei mal drei Zentimetern befinden sich drei Einstiche von jeweils 0,3 Zentimeter Durchmesser. In der Vorderwand der linken Herzkammer gibt es ebenfalls eine Durchbohrungsstelle, 2,5 Zentimeter unterhalb der Herzbasis, und eine weitere 1,5 Zentimeter links vom absteigenden Ast der linken Herzkranzarterie. In diesem Bereich ist die Herzaußenhaut dünnschichtig eingeblutet. Alle Stichkanäle enden in der linken Herzkammer. An zwei Stellen zeigt sich eine Verletzung der Kammerscheidewand.«
    Paula fragte: »Sind diese Stiche die Todesursache?«
    »Bei Ansicht der Organe habe ich keine Veränderungen festgestellt, die auf vorher bestehende Krankheiten deuten. Die Tote war eine gesunde Frau. Die Todesursache ist eine Herzbeuteltamponade, eine Blutung im Herzbeutel, die von den Herzwandverletzungen der linken Kammer stammt. Bedingt durch die Nadelstiche.«
    »Sie ist also erstochen worden«, sagte Paula.
    »Ja. Der Täter hat ein paarmal zugestoßen. Er hat mit der drei Millimeter dicken Nadel den Einstich direkt in die Brustwarze gesetzt und von da aus dreimal durch die Rippen ins Herz gestoßen. Um das ungestört tun zu können, hat er die Frau vorher an Hand- und Fußgelenken gefesselt.«
    »Hat er sie auch vergewaltigt?«, fragte Paula.
    »Dafür haben wir keinen Anhaltspunkt«, erwiderte

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