Im Herzen Rein
weg. »Sie nehmen an, dass Heiliger dich als nächstes Opfer auserkoren hat.« Es amüsierte ihn. »Stell dir vor, sie würden deine Leiche in seinem Atelier finden. Aus einer solchen Fallgrube käme der Herr Künstler nicht mehr heraus, oder?«
Das war also sein Plan. Er wollte sie hier umbringen und dann zu Heiliger schaffen. Sie spürte, wie ihre Angst sie blockierte, versuchte aber trotzdem, das Richtige zu tun. »Heiligers Atelier ist unter Polizeiverschluss«, sagte sie.
»Weißt du, dass dieser Heiliger seinen Häschern sogar noch in die Hände spielt? Paula hat mich das Verhör vom Nachbarraum mitverfolgen lassen: Er vertraut ganz darauf, dass er freikommt, und führt sich in diesem Vertrauen wie ein Verdächtiger auf, um in den Medien erst einmal als Täter gehandelt zu werden. Er rechnet damit, dass sich dann seine Unschuld erweist und die Medien die ganze Story noch einmal rückwärts bringen. Wenn er dann später als falsch Beschuldigter und glänzend Rehabilitierter seine Installation Die Frau im blauen Kleid ausstellt, läuft das Kunstwerk die Medien rauf und runter. Er ist ein genialer Medienstratege. Hat er dich deswegen so fasziniert?«
»Er hat mich nicht wirklich fasziniert.« Bach schien eifersüchtig zu sein, und sie hoffte hier inständig auf ein Schlupfloch.
»So fasziniert, dass du mit ihm nach eurem Kirmesausflug sogar ins Bett gegangen wärst. Ich konnte es dir ansehen. Du wolltest dich ihm hingeben. Wenn er dich nun aber in Leichenstarre in seinem Atelier findet, kann er dich nur noch anbeten. Ein Leben lang aus seiner finsteren Zelle zu dir aufblicken, zu der schönen Chris mit dem ewigen Tennissiegerlächeln.« Er lachte. »Der Künstler und seine Madonna.«
Sie musste etwas Konkretes ansprechen, etwas, das ihr helfen könnte. »Ist das alles, was Paula gesagt hat?«, fragte sie jetzt im strengen Ton. Vielleicht half das.
»Eine kluge Frage. Ihre letzten Worte waren: Wie kann ich euch erreichen?« Er wartete auf die Wirkung seiner Worte. »Fällt dir nichts auf?«
Chris schwieg.
»Du bist schön wie eine Göttin, aber du hast nicht mein Gespür. Sie fragt: Wie kann ich euch erreichen, wo sie doch gar nicht wissen kann, dass wir zusammen sind. Es ist ihr feiner Instinkt. Sie sagte es nicht bewusst, es schlüpfte ihr heraus, sie wittert es. Sie wittert, dass ich der Priester bin, der dich mit Heiliger für die Ewigkeit vereinen wird.«
Sie hatte nur noch einen Gedanken und merkte nicht, dass sie laut dachte. »Wie kann Paula uns erreichen?«
Er hatte gelächelt. »Gar nicht.«
Dann hatte er sie im dunklen Keller in den Käfig gesperrt.
Seine Schritte kamen näher, sie hörte seinen keuchenden Atem, als er, über sie gebeugt, die Augenbinde durchschnitt. Er sagte nichts, sein Gesichtsausdruck war völlig verändert. Er hatte etwas in der Hand, das er vor ihr verbarg, als er sie von den Fesseln löste.
Die Spannung der Jagd treibt den Täter, hatte er gesagt. Könnte man seine Hautreaktion messen, würde man feststellen, dass es die gleiche ist wie bei einem Löwen auf der Jagd. Sie musste den Reiz der Jagd verlängern. Sie dachte, ich muss reden und ihn zum Reden bringen . Alles, was den Todesstoß verzögerte, war gut.
»Warum Silvia Arndt, warum Johanna Frenzi? Und warum Antonia Hartmann?«, fragte sie.
»Drei Fragen auf einmal, tz tz tz.« Missbilligend schüttelte er den Kopf. »Kapriziere dich nicht auf diese Frauen. Ich meinte nur dich.«
»Schon damals im Studium? Hat es da schon den Auslöser gegeben?«
»Auslöser?« Er lachte höhnisch. »Wen interessieren Auslöser? Nur die, die eine Theorie für die Ermittlung suchen und eitle Bücher darüber schreiben. Die, die nichts wissen über die dämonische Begierde.«
Chris sah sich als Taubenfrau im blauen Kleid, erstarrt in Sitzhaltung. So, wie es schon auf dem Foto im Medaillon angekündigt worden war und dann noch einmal auf der Vergrößerung davon im Fahrstuhl. Sie dachte an die verkrümmte Haltung der Frauen auf dem Sektionstisch. So wollte sie nicht enden.
»Wir können doch alles miteinander unternehmen«, sagte sie mit fester Stimme.
»Es ist unmöglich zu wissen, was dieses zwanghafte Verhalten auslöst. Unmöglich!« Er schrie das Wort. Dann sprach er wieder normal: »Den Sinn des Mordens zu erfassen ist so unmöglich, wie den Sinn des Lebens zu erfassen. Mörder ist man schon vor der Geburt. Man kommt als Killer zur Welt.«
»Aber du warst doch beim FBI. Oder stimmt das gar nicht?«
»Das stimmt
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