Im Herzen Rein
Team dort aufgebaut wie ein Chor. Tommi gab mit erhobenen Armen den Einsatz, und alle sangen im Kanon »Herzlich willkommen - herzlich willkommen - herzlich willkommen!«
Paula war gerührt. Es klang richtig geprobt. Alle standen im Halbkreis - Herbert Justus, Ulla, Marius, Waldi und Max.
Sie warf ihren Trenchcoat auf den Kühlschrank und gab jedem die Hand.
»Schön, dass du wieder da bist, Paula«, sagte Tommi. Justus wandte ein, die Chefin hätte ruhig ihren Urlaub bis zum Schluss genießen sollen.
Wie immer nannte er sie »Chefin« und nicht »Paula« wie die anderen, als wollte er sich stets an die Kränkung erinnern, dass sie ihm vorgezogen worden war.
Paula sah gleich, dass an ihrem Platz eine Rose lag, sicher von Ulla. Sie mochte an ihr, dass sie sich sogar in diesem Job ihre romantische Seite bewahrte und ihr half, auch in schwierigen Situationen die gute Stimmung aufrechtzuhalten. Ulla lächelte, hakte sie unter und führte sie zu ihrem Platz, und Paula tat so, als wäre die Blume ein Präsent von allen, hielt sie hoch und bedankte sich.
Zur Feier des Tages schenkte Max Kaffee ein, und Ulla schnitt den selbst gebackenen Pflaumenkuchen an.
Da Zimmer 312 das größte Büro war, stand hier der lange Tisch, an dem das Team zu Besprechungen zusammenkam. Eigentlich war es das Büro von Herbert Justus und Max Jahnke, dem Dienstältesten und dem Jüngsten. Manche aßen hier auch zu Mittag, weil es in der Keithstraße keine Kantine gab. Kein Wunder, dass es immer unordentlich war. Dieses »Chaos des Westens« - aus Fünf-Minuten-Terrinen, Kaffeepulver und angebrochenen Milchtüten - nahm der Ossi Justus hin, weil er gern Gesellschaft hatte.
Paula setzte sich und zog die Mappe mit den Fotos zu sich heran. »Ist der Obduktionsbericht da?«
»Ist da«, sagte Ulla. »Hab ihn schon kopiert. Wer möchte?« Sie hielt die Berichte hoch.
»Ihr könnt gleich mal reinschauen - ich sehe mir so lange die Fotos an«, sagte Paula.
Das erste war eine Aufnahme aus ein paar Metern Entfernung. Die Tote saß aufrecht auf der Parkbank, die dreimal so lang war wie normal. »War sie angelehnt?«
»Der untere Teil des Rückens wurde von der Lehne gestützt«, sagte Marius.
Paula warf ihm einen kurzen Blick zu. Er sah gut aus und frisch, sie konnte ihn fast riechen. Aus seinem Blick konnte sie die Freude darüber herauslesen, dass sie wieder da war.
Die Tote schien tatsächlich gerade Tauben zu füttern. Mit der rechten Hand, die im Schoß ruhte, hielt sie ein Sandwich, während die linke den Vögeln ein paar Krumen zuzuwerfen schien. Rechts neben ihr stand ein Kaffeebecher. Das klassisch blaue Kleid ließ vermuten, dass sie eine Frau gewesen war, die nicht jeder Mode hinterherlief und ihre Freizeit mit Bedacht verbrachte. Sie trug keinen Schmuck, aber vielleicht hatte der Täter ihn ihr abgenommen. Frisur und Make-up deuteten ebenfalls auf eine zurückhaltende Frau. Sie schien die Tauben zu betrachten, aber die Nahaufnahmen zeigten, dass sie ins Leere starrte. »Wo hat sie gearbeitet?«
»In einem Center für Digitalisierung in der Bundesallee.«
»Wie habt ihr das herausgefunden?«
»Ihr Chef hat sich gestern gemeldet, nachdem er unseren Aufruf im Radio gehört hat. Sie heißt Silvia Arndt.«
»Warum ist nicht gleich jemand zu ihrem Arbeitsplatz gefahren?«, fragte sie ärgerlich, was Marius zu einem kleinen Lächeln veranlasste.
»Der Anruf kam erst gegen Abend«, sagte Tommi.
»Soll ich da gleich hin?«, fragte Waldi.
»Nein, mach ich selber«, entschied sie.
Die Tauben sahen auf den Fotos vermutlich echter aus als in Wirklichkeit, weil man nicht erwartete, dass sie sich bewegten, so als hätte der Fotograf sie in einem Bewegungsmoment festgehalten. Paula erinnerte sich an Stop dance aus ihrer Kindheit: Sie tanzten zur Musik, bis einer plötzlich die Stopp-Taste drückte, und jeder Tänzer musste mitten in der Bewegung anhalten und so verharren.
Sie betrachtete die Nahaufnahmen von dem Kaffeebecher. Er war milchig braun mit der dunkelbraunen Aufschrift Coffee to go. Genau wie bei dem Taxifahrer gestern, nichts Besonderes also.
Auf den Fotos aus dem Blickwinkel der Toten sah man die Promenade, das Geländer an der Böschung zur Spree und das gegenüberliegende Ufer. Paula schaute genauer hin und entdeckte einen Angler. »Habt ihr die Personalien von dem Angler?«
»Von welchem Angler?«, fragte Justus.
»Von dem hier auf dem Bild. Scholli wird ihn ja nicht reinkopiert haben.«
»Ich habe keinen gesehen. Tommi,
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