Im Herzen Rein
war da ein Angler? Du hast doch die Gegend abgeklappert.«
Verärgert hielt sie Justus das Foto vor die Nase. Er griff danach.
»Ich glaube, weiter oben, Richtung Kanzleramt«, sagte Tommi.
Paula nahm Justus das Foto weg und zeigte es Tommi.
»Ist das Richtung Kanzleramt?« Dabei erinnerte sie sich an Chris’ Bericht über den Jogger, der sich durch die Neugierigen gedrängt hatte, bevor er über die Absperrung gesprungen war, und schaute noch einmal auf das Foto. »Waren keine Zuschauer da?«
»Doch, wie immer«, sagte Tommi.
»Dann hat Scholli dieses Foto gleich zu Anfang gemacht, oder?«, fragte sie.
Nun schauten sich alle das Foto an.
»Eindeutig«, sagte Marius, »diese Aufnahme hat er sofort gemacht, als er angekommen ist. Der Angler ist bestimmt abgehauen, als sich die Leute ansammelten.«
»War dann ja richtig Trubel«, ergänzte Tommi.
Ein Versäumnis, dachte Paula. »Wie ihr den Burschen auftreibt, ist euer Problem. Morgen will ich ihn zur Vernehmung im Büro haben. - Wer hat die Tote gefunden?«
Justus hatte den Anruf vom großen Lagedienst um 8.30 Uhr bekommen. Eine Bewohnerin aus der Beamtenschlange hatte die Tote entdeckt und die Polizei verständigt. Die Kollegen vom Abschnitt 34 hatten den Tatort gleich gesichert, und Waldi hatte die Frau befragt.
»Und?« Paula sah Waldi an.
»Sie führt ihren Hund jeden Morgen aus. Zunächst ist ihr nichts aufgefallen, aber als ihr Dackel die Tauben angekläfft hat und sie nicht weggeflogen sind, hat sie genauer hingesehen und entdeckt, dass sie tot sind, und die Frau auf der Bank auch. Sie hat sofort vom Handy aus die Polizei alarmiert. Vorher war offensichtlich niemandem aufgefallen, dass da eine Tote saß, obwohl da morgens früh immer Jogger und Spaziergänger unterwegs sind.«
»Habt ihr herausgefunden, wie die Tote zur Parkbank gebracht worden ist?«
»Bisher nicht«, sagte Justus. »Auch die Obdachlose, die hinter der Parkbank lag, hat nichts mitgekriegt.«
»Professor Posch vermutet, dass der Täter die Leiche mit einem Rollstuhl dort hingefahren hat. Das ist ein Ansatz. Da müssen wir dranbleiben. Irgendjemand wird das beobachtet haben. Das Auto müsste ein Kleinbus sein, wo die Frau, im Rollstuhl sitzend, über eine Rampe reingefahren werden kann. Morgen sehr früh müssen alle Jogger und Spaziergänger danach befragt werden.«
»Was ist die Todesursache?«, fragte Tommi, der das Gutachten nur überflogen hatte.
»Erstochen mit einer angespitzten Stahlnadel, die einen roten Glaskopf am Ende hat. Ist euch so etwas als Waffe schon mal begegnet?«
Sie schüttelten den Kopf.
Paula beauftragte sie auch mit der Ermittlung über die Herkunft des Kaffeebechers und der Tauben. »Wo sie gekauft und präpariert wurden und so weiter.«
Sie ging in ihr Büro, wo ihr ein muffiger Geruch entgegenschlug - wie immer nach dem Urlaub. Sie öffnete die Fenster und hörte die Anrufe auf ihrer Mailbox ab, die während ihres Urlaubs eingegangen waren. Ihre Mutter erkundigte sich, ob sie sie im Urlaub besuchen komme - »leider schon vorbei«, murmelte Paula -, und ihre Schwester Sandra berichtete, dass Manuel jetzt schwimmen könne. »Freischwimmer, Mami, du musst Freischwimmer sagen«, hörte Paula den Siebenjährigen im Hintergrund. Der letzte Anruf war nur ein Geräusch. Sie lehnte sich einen Moment zurück und dachte an ihre Familie und das Dorf. Sie sah die Mutter Wäsche aufhängen, den bellenden Spitz der Nachbarin, den Edeka-Laden, die Kirche.
Sie gab sich einen Ruck und griff nach ihrem Dienstapparat, um Chris anzurufen. Doch bevor sie wählen konnte, hatte sie ein fremdes Gespräch in der Leitung. Irritiert rief sie: »Hallo? Ist da jemand in der Leitung?«
»Spreche ich mit Paula Zeisberg?«
»Ja«, sagte Paula ungeduldig. Sie konnte seine Stimme nirgendwo unterbringen.
»Hallo, Paula, hier ist Jonas Schumann. Erinnerst du dich?«
Sie wollte es nicht glauben! Jonas!
Ihr Herz schlug schneller, und sie hoffte, dass sich das Gespräch verschieben ließe. »Hallo, Jonas, ich bin gerade beschäftigt, ruf mich doch später noch mal an. Am frühen Abend - passt dir das?«
»Kein Problem, Paula. Also bis dann.«
Sie drückte auf die Gabel und hielt den Hörer gegen die Brust. Sie überlegte, wie lange es her war, dass sie Jonas das letzte Mal gesehen hatte. Acht Jahre? Oder neun? Jedenfalls war es kurz vor ihrer ersten Begegnung mit Ralf gewesen. Das war der Beginn ihrer Beziehung mit Ralf gewesen: als sie aus Würzburg von dem Kongress
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