Im Herzen Rein
ins Genick. »Wenn du leben willst, tu genau, was ich dir sage«, zischte er ihr ins Ohr. Er roch, dass sich ihr Parfum mit der Ausdünstung von Schweiß mischte. »Klapp den Sitz nach vorn.«
Sie gehorchte. Er stieg rückwärts hinten ein und zog sie auf den Fahrersitz vor sich.
»Mach die Tür zu.« Er drückte ihr die Pistole gegen den Hals.
Sie gehorchte.
»Fahr los.«
Sie startete.
Er verbot ihr zu sprechen und spürte seine ansteigende Erregung.
Es war alles vorbereitet.
Sie fuhren an der Skandinavischen Botschaft mit den grünen Lamellen vorbei, die nachts verschlossen waren, dann die Hofjägerallee entlang auf die Siegessäule zu.
Sanft rieb er den Pistolenlauf an ihrem Hals und dirigierte sie mit barschem Ton. »Rechts!«, befahl er, als die Seestraße kam, wo sie über die Brücke Richtung Westhafen in das Gewerbegebiet fahren sollte. Das Gelände war in der Nacht ausgestorben.
Mit der Fernbedienung öffnete er das Garagentor und wies sie an, ihren Wagen neben seinem VW-Kombi abzustellen. Während sich das Tor wieder schloss, führte er sie durch die Eisentür in seine Halle. Er lächelte über ihren schrillen Aufschrei, als sie den Holzstuhl mit den Lederfesseln erblickte. Aber niemand außer ihm konnte sie hören.
Sie kreuzte die Arme über der Brust und weigerte sich, ihre Kleider abzulegen. Er betrachtete ihre Angst und Wut, als redete sie ohne Ton; er hatte ihre Stimme ausgeblendet.
Plötzlich schwieg sie, starrte ihn an, holte tief Luft und schrie wie eine Wahnsinnige. Er dachte an das Brüllen von Rindern auf dem Schlachthof. Sie witterte den Tod.
Als sie Luft holte, sagte er: »Wenn du nicht tust, was ich dir sage, wirst du sterben.«
Sie schrie, außer sich vor Angst, und er wartete, bis sie erschöpft war.
Er ging zu der Butangasflasche im Küchenbereich, an der ein Flammenwerfer angeschlossen war, öffnete das Ventil und entzündete die Flamme. Sie war klein und blau, flackerte und tanzte, bereit, bei einer weiteren Drehung des Ventils wie eine Furie nach vorne zu springen.
»Wenn du dich nicht ausziehst, werde ich dir die Kleider vom Leib brennen.«
14
Als Chris am nächsten Tag zum Telefon griff und die Nummer wählen wollte, klingelte es. Sie zuckte mit der Hand zurück und starrte den Apparat wie ein Tier an. Nach dem vierten Läuten hob sie schließlich ab.
»Mutti hier, hallo, Christiane. Ich wollte dich nur erinnern, dass wir morgen kommen. Nicht, dass du das vergisst.«
»Nein, das vergesse ich nicht«, sagte sie automatisch. Sie musste sich auf die Worte der Mutter konzentrieren, die ausgerechnet jetzt, wo sie sich auf das Telefonat mit Heiliger eingestellt hatte, anrief.
»Ich dachte, ich erinnere dich besser - du arbeitest doch so viel.«
»Ja, gut. Ich freue mich. Es ist schon so lange her, dass ihr in Berlin wart. Wann kommt ihr denn?«
»Erst gegen zwei. Aber da können wir immer noch schön einkaufen gehen. Das hat Papa nämlich vorgeschlagen.«
»Der Gute«, lachte Chris. »Dann bis morgen, tschüs.«
Sie legte auf. Dann reckte sie sich, stieß ein lautes »Haa« aus. Der Schreck war verflogen, und sie wählte, ohne zu zögern, Heiligers Nummer. Sie fühlte sich unwohl, aber das änderte sich, als sie seine kräftige Stimme hörte.
»Oh, das überrascht mich«, sagte er, nachdem sie ihren Namen genannt hatte.
Wusste er gleich, wer sie war? »Was überrascht Sie?«
»Haben Sie Ihr Bild in der Zeitung gesehen?«
»Welches Bild?«
»Da stehen Sie hinter der Toten. Es sieht aus, als ob Ihre Hand auf deren Schulter liegt, während sie die Tauben füttert.«
»Sie haben behauptet, Sie würden mir etwas zu diesem Fall sagen.«
»Sie meinen, wer der Täter ist?«
»Wenn es das ist, ja, bitte.«
»Am Telefon würde ich das ungern tun.«
»Sie können in mein Büro kommen. Wissen Sie, wo die Staatsanwaltschaft ist?«
»Weiß ich nicht. Möchte ich aber auch nicht. Wie wäre es um achtzehn Uhr in der Galerie Kaldewey in der Fasanenstraße? Da wird eine neue Arbeit von mir gezeigt.«
Schon wieder, dachte sie im Hinblick auf die Tote als Kunstwerk. »Von Ihnen? Sind Sie Maler?«, fragte sie scheinbar ahnungslos.
»Wenn man so will. Man könnte auch sagen bildender Künstler. Ich mache Installationen. Falls Sie wissen, was das ist«, fügte er hinzu.
Frech, dachte sie. »Sie können es mir erklären.«
»Gern, wenn Sie kommen. Um achtzehn Uhr, Fasanenstraße 27.«
Als sie die Galerie betreten wollte, wurde sie gleich wieder hinausgedrängt. Der Raum
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